Es sind spektakuläre Bilder aus dem Forschungsflugzeug auf die Ostseeküste, dem Lebensraum der Kegelrobbe. Aber liegen da wirklich Robben am Strand? Oder sind es nasse Steine? Mühsam müssen die aufgenommen Bilder ausgewertet werden. Der WWF bringt jetzt der Künstlichen Intelligenz bei, dabei zu helfen.

Was die Künstliche Intelligenz hier bei den Kegelrobben leistet, ist beispielhaft für ihren wachsenden Einsatz beim Schutz der Ostsee.

Endlos lange, feinsandige Strände, die ikonischen Kreidefelsen, prachtvolle Badeorte, intakte Natur, Schweinswale, Robben – und leckerer Fisch. So würden wir alle gerne die Ostsee erleben. Die Ostsee ist aber eine ökologische Krisenregion. Die Herausforderungen sind riesig. Entsprechend vielfältig sind die Lösungsansätze des WWF. Die KI ist daher ein zunehmend wichtiger Helfer.

Was bedeutet der ökologische Zustand der Ostsee konkret und wo gibt es Hoffnung? Finn Viehberg, Leiter WWF Büro Ostsee, beantwortet die wichtigsten Fragen.

„Was mich sorgt: Alles, was wir tun, kostet Zeit. Zeit, die wir immer weniger haben.“

Finn Viehberg, Leiter WWF Büro Ostsee

Die Rückkehr der Kegelrobben

Luftaufnahme der Kegelrobben aus dem Flugzeug
Luftaufnahme der Kegelrobben aus dem Flugzeug © Florian Hoffmann

Denn es gibt sie eben doch, die guten Nachrichten von der Ostsee: Die Kegelrobben, die größten Raubtiere Deutschlands, waren jahrzehntelange von den deutschen Ostseeküsten verschwunden. Seit einigen Jahren sind sie wieder da. Ein Erfolg, den sich auch der WWF durch seine Schutzarbeit auf die Fahnen schreiben kann.

Diesen großen Erfolg des Naturschutzes in Deutschland gilt es zu stabilisieren. Hier kann uns KI helfen. Natürlich stehen wir immer vor der Herausforderung jedes Naturschützers: Nur was wir kennen, können wir auch schützen. Und von den Kegelrobben wissen wir bei aller Wissenschaft noch viel zu wenig. Wie viele gibt es überhaupt? Wie wandern welche Robben wann wohin? Was sind die besonders wichtigen Gebiete?

Heute ist der Weg zu Erkenntnissen kürzer und technischer als noch vor wenigen Jahren. Von den Kameras des Forschungsflugzeugs auf die Festplatte – und dann wird uns die trainierte KI irgendwann ziemlich zuverlässig Auskunft über die Robben im überflogenen Gebiet geben können.

Bedrohte Seegraswiesen der Ostsee

Luftaufnahme von Seegras aus dem Flugzeug
Luftaufnahme von Seegras aus dem Flugzeug © Finn Viehberg / WWF

Das ist nicht die einzige Möglichkeit, wie uns KI helfen kann. Sie unterstützt uns auch bei der Aufforstung von den ökologisch unschätzbar wichtigen Seegraswiesen. Seegraswiesen sind grundlegend für eine lebendige Ostsee.

Die Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM) stuft die Seegraswiesen in der Ostsee als stark gefährdet ein. Die Nährstoffbelastung trübt das Wasser, Sonnenlicht kann nicht mehr tief genug vordringen. Seegraswiesen kamen früher auf bis zu zehn Metern Tiefe vor, heute finden sie sich nur noch bis 3,50 Meter Wassertiefe.

„Bei uns im Greifswalder Bodden ist das Seegras schon mindestens zur Hälfte verschwunden“, sagt Finn Viehberg, der für den WWF das Ostseebüro in Stralsund leitet.

Biodiversitätshotspots Seegraswiesen

Kernprojekt des WWF an der Ostsee ist die Anpflanzung von Seegraswiesen. Seegraswiesen sind Biodiversitätshotspots. Die Wasserpflanze wächst bis in sechs Meter Tiefe, wo sie Wiesen bildet, in denen sich Fische, Muscheln und Krebse vor Feinden verstecken können.

Seegraswiesen bilden die Kinderstube für viele Fischarten, von denen sich beispielsweise Kegelrobben oder Schweinswale ernähren. Seegras produziert außerdem für die vielen Ostseelebewesen lebenswichtigen Sauerstoff, stabilisiert den Boden und speichert Kohlenstoff in den Wurzeln.

Nicht nur das Seegras selbst, auch die Arten, die darin leben, tragen zur Resilienz des Lebensraums bei. Die kleinen Muscheln etwa, die sich zu Abermillionen in den Wiesen aufhalten, helfen mit, die Ostsee durchzufiltern. Viehberg nennt sie die „Heinzelmännchen der Ostsee“, die diese still und heimlich reparieren.

Mit künstlicher Intelligenz zur Renaturierung

Der WWF arbeitet mit Fischer:innen daran festzustellen, wo überhaupt noch Seegras zu finden ist – und wo eventuelle Renaturierungsflächen zu identifizieren sind. Dafür werden Fischerboote mit Unterwasserkameras ausgerüstet – und auch diese Bilder werten wir dann mittels KI aus. So entsteht eine Karte der noch existierenden ökologischen Schätze. „Und wir finden Stellen, wo wir sinnvoll wieder Seegras pflanzen können“, hofft Viehberg.

Vertiefende Einblicke in unsere Arbeit an der Ostsee, inklusive exklusiver Aufnahmen aus dem Forschungsflugzeug und einem Blick in die KI-Analyse, erhalten Sie in unserem Video.

So können Sie der Ostsee helfen

Weitere Informationen

  • Ostseeküste bei Warnemünde © Ralph Frank / WWF Ostsee

    Bereits seit 1990 ist der WWF an der Ostsee aktiv, um die vielfältigen Lebensräume zwischen Land und Meer, zwischen Süß- und Salzwasser, zu schützen. Zur Übersicht

  • Seegras und Meeresschildkröte © Antonio Busiello Seegraswiesen – Mikrokosmos im Meer

    Seegraswiesen sind bedroht – durch Meeresverschmutzung, aber auch durch die Klimakrise. Mit einer neuen Methode will der WWF sie besser schützen. Weiterlesen ...

  • Bergung von Geisternetzen © Stefan Sauer / Picture Alliance / Getty Images Geisternetze aus der Ostsee bergen

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