Der Tourismus mit Walhaien boomt. Doch ohne Walhaie kein Walhaitourismus! Nur noch etwa zehn Prozent der Tiere erreichen das fortpflanzungsfähige Alter. Das will der WWF in Mexiko ändern.

Er wird so lang wie ein Reisebus, bringt bis zu 34 Tonnen auf die Waage und hat in seinem eineinhalb Meter breiten Maul mehr als 3.000 Zähne. Diese sind allerdings so winzig, dass es nicht verwundert, dass der Koloss nicht auf große Fische aus ist. Stattdessen begnügt er sich mit Plankton, Laich und kleinen Krebsen, die er wie ein gewaltiger Staubsauger mit einem Sieb an den Kiemen aus dem Wasser filtert. Die Rede ist vom Walhai, dem größten Fisch der Welt.

Sie sind zugleich eines der größten Rätsel der Ozeane. Noch immer weiß man zum Beispiel nicht, wie und wo sie ihren Nachwuchs bekommen, und in welchen Tiefen sie ihre ersten Lebensjahre verbringen.

Walhaitourismus ist ein Millionengeschäft

Schnorcheln mit Walhaien © imago images / Nature Picture Library
Schnorcheln mit Walhaien © imago images / Nature Picture Library

Klar ist hingegen, dass sich der sanfte Gigant in den vergangenen Jahren zu einem „Riesengoldfisch“ des Meerestourismus entwickelt. Denn für das Erlebnis, mit dem Hai zu schwimmen, zu tauchen oder zu schnorcheln, greifen Reisende in Australien, Mexiko oder auf den Philippinen tief in die Tasche. Ein Millionengeschäft.

Doch ohne Walhaie kein Walhaitourismus. Genau hier liegt das Problem. Früher waren es die Harpunen und Netze der Fischer:innen, die die Zahl der Riesenfische mit dem Sternenhimmel auf dem Rücken in wenigen Jahrzehnten mehr als halbierten. Obwohl der kommerzielle Fang inzwischen fast überall verboten wurde, konnte sich ihr Bestand nicht wesentlich erholen.

Zu den Gründen zählen neben Beifang und Verschmutzung der Meere die zunehmenden Zusammenstöße mit Schiffen. Kollisionen mit messerscharfen Schiffsschrauben führen bei den Riesentieren häufig zu schweren, manchmal tödlichen Verletzungen. Wissenschaftler:innen schätzen, dass nur zehn Prozent der Tiere ein fortpflanzungsfähiges Alter erreichen.

Auch beim Walhaitourismus werden immer wieder Tiere verletzt, weil zum Beispiel mit den Booten die Mindestabstände zu den Tieren nicht eingehalten werden.

Um die Situation für die Haie zu entschärfen und gleichzeitig die lokalen Anbieter:innen zu fördern, gilt es, den Tourismus möglichst nachhaltig zu gestalten.

Der WWF fördert nachhaltigen Tourismus

Im mexikanischen La Paz arbeitet der WWF seit Jahren an einem nachhaltigen Tourismuskonzept. Die Stadt liegt direkt an am Eingang vom Golf von Kalifornien. Dort bringen Meeresströmungen nährstoffhaltiges Tiefenwasser heran, die für eine erhöhte Produktion von Plankton sorgen, an dem sich die Walhaie laben. Rund 100 der schwimmenden Giganten tauchen jeden Sommer vor La Paz auf, um sich den Bauch vollzuschlagen – überwiegend sieben, acht Meter große Jungtiere.

Mit den Haien kommen die Tourist:innen. Vor der Corona-Pandemie wollten pro Saison fast 40.000 von ihnen mit den Riesenfischen schnorcheln.

Der Ansturm der Massen wurde zu einem lukrativen Geschäft – mit Schattenseiten für die Tiere. Seit 2006 sattelten viele einheimische Fischer:innen um und boten seitdem Ausflüge zu den Haien an. Allein in La Paz waren es zuletzt 143 zugelassene Schiffe. Die Branche setzte vor der Pandemie rund 3,5 Millionen Dollar um und bot fast 1.000 Menschen einen Job.

Pandemie-Pause gut genutzt

Walhai schwimmt in der Nähe von Mexiko © Sherry Magno
Walhai schwimmt in der Nähe von Mexiko © Sherry Magno

Doch in den vergangenen zwei Jahren war alles anders wegen Covid-19. Die Pandemie forderte in Mexiko bis jetzt über 300.000 Tote, mehr als fünf Millionen Menschen erkrankten. Hinzu kamen wirtschaftliche Einbußen. In La Paz am Golf von Kalifornien gingen die Buchungen um zwei Drittel zurück. In dem Ferienort bedeutete dies für mehr als 1.500 Familien heftige Einkommensverluste. Parallel stieg die illegale Fischerei in den Schutzgebieten der Bucht von La Paz.

Zugleich wuchs das Bewusstsein für die Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen. Reiseleiter Abel Trejo Rámirez bringt es auf den Punkt: „Wir haben gelernt, dass der Walhaitourismus die Lebensgrundlage für viele Familien ist, und dass viele arbeitslos werden, wenn wir uns nicht um sie kümmern.“

Um die Situation etwas zu entspannen und zugleich die ökologischen Auswirkungen des Massentourismus zu minimieren, sorgte der WWF dafür, dass 145 Männer und Frauen aus der Tourismusbranche Überbrückungshilfe erhalten. Sie säubern jetzt Strände und Riffe oder beschildern Wanderwege. Einige installieren Bojen und spüren Geisternetze auf.

Besserer Schutz für die Walhaie

Zentrales Element der Soforthilfe ist eine bessere Überwachung der Tiere und des Schiffsverkehrs. In La Paz hat der WWF alle Beobachtungsboote mit GPS ausgestattet. Dadurch können die Behörden die Position und Geschwindigkeit der Schiffe in Echtzeit ermitteln. Dieses System wird jetzt optimiert. Dazu werden unter anderem an Schlüsselpositionen Bojen installiert, um Schutzgebiete und Niedriggeschwindigkeitszonen zu kennzeichnen und so eine Art Leitsystem für Ausflugsboote einzuführen.

Reiseanbieter wie Jorge Herrera Real sehen die Aktivitäten positiv und begrüßen auch Konsequenzen: „Wer dabei erwischt wird, wenn er einen Walhai überfährt oder gegen Tempolimits oder Abstandregeln verstößt, sollte mit hohen Geldstrafen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Außerdem setzt er auf technische Lösungen: „Propellerschutzvorrichtungen für Motorboote können die Schwere der Verletzungen und Schnitte verringern.“

Wesentlicher Baustein des Projekts ist das Training der Tourguides und Bootskapitäne in nachhaltigem Walhaitourismus. Bisher wurden über 360 Bootsführer:innen geschult und zertifiziert.

Ziel ist es, gemeinsam mit den Tour-Anbietern das Walhai-Management zu verbessern. Denn weil der Schiffsverkehr in der Pandemie deutlich abgenommen hat, verringerte sich auch die Zahl der durch Zusammenstöße verursachten Verletzungen. „Wurden vor dem Corona Ausbruch noch bei fast 80 Prozent frische Verletzungen oder Narben registriert waren es im Jahr darauf nur noch rund 65 Prozent“, berichtet Eduardo Najera vom WWF Mexico. „Das ist ein deutliches Zeichen, dass wir auch im Interesse der Reiseanbieter ein Tempolimit für die Boote durchsetzen müssen. Gemeinsam mit den lokalen Behörden gilt es dafür zu sorgen, dass die bestehenden Regeln, etwa Mindestabstände und eine Höchstzahl von Schwimmern im Wasser, auch eingehalten werden.

Erste sichtbare Erfolge

Walhai im Pazifik © Jürgen Freund / WWF
Walhai im Pazifik © Jürgen Freund / WWF

Das Projekt in La Paz könnte ein Baustein für das Comeback der größten Fische der Welt sein. Die Tiere vermehren sich wie die meisten Haiarten zwar nur sehr langsam. Wenn es aber gelingt, Beifang und Kollisionen deutlich zu verringern hat auch der Walhai vielleicht eine Chance. Immerhin: Die „Überlebensampel“ der Weltnaturschutzunion (IUCN) steht seit neuestem auf Grün. Das heißt: Innerhalb von 100 Jahren könnte sich die Population erholen. Für ein Tier, das seit mehr als 60 Millionen Jahren durch die tropischen und subtropischen Meere dümpelt, ist das eigentlich nicht mehr als ein Wimpernschlag.

Die Finanzierung

Das Walhai-Tourismus-Projekt des WWF, die Arbeit in den Meeresschutzgebieten vor La Paz und die Sicherung dortiger Arbeitsplätze wird mit Hilfe des Corona-Soforthilfeprogramms der Bundesregierung durchgeführt und fortgesetzt. Umgesetzt wird es mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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