Ilka Petersen und Kerstin Weber arbeiten für den WWF Deutschland und betreuen Projekte in Lateinamerika. Hier berichten sie von ihrer Reise in die Savannen und Graslandschaften von Paraguay und Argentinien. So eine Besuch in den Projektgebieten ist ein Highlight ihrer Arbeit beim WWF.

Etwa einmal im Jahr haben wir die Möglichkeit, uns mit den Kolleginnen vor Ort zu treffen. Die gemeinsam in stundenlangen virtuellen Meetings am Schreibtisch entwickelten Projekte, für die wir hunderte Seiten beschrieben, um Wörter und Zahlen gefeilscht haben, um sie dann doch wieder anzupassen, werden in diesen Zeiten Wirklichkeit. Das Schwarz-Weiß bekommt Farbe.

Vom Schreibtisch in die Savanne

Gruppenfoto mit den Kolleg:innen des WWF Paraguay © WWF Paraguay
Gruppenfoto mit den Kolleg:innen des WWF Paraguay © WWF Paraguay

Im August 2025 war es so weit: für unser Grasland- und Savannen-Projekt reisten wir gemeinsam nach Paraguay und Argentinien. 

Mit unseren Kolleg:innen vom WWF Kolumbien, WWF Paraguay und der Fundación Vida Silvestre führen wir seit anderthalb Jahren ein Projekt im Orinoquia in Kolumbien, dem Pantanal und Chaco in Paraguay sowie dem Humid Chaco in Argentinien durch.

Die faszinierenden Grasland- und Savannen-Ökosysteme bieten eine einzigartige Artenvielfalt und eine Vielzahl wichtiger Ökosystemdienstleistungen, wie z.B. Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit.

Die Regionen verbindet auch soziokulturelle, wirtschaftliche und ökologische Gemeinsamkeiten. So findet man den großen Ameisenbären zum Beispiel in allen drei Regionen. Im Laufe des Projektes haben die Kolleginnen aus Paraguay auch einige wenige Exemplare des Pampashirsches gefunden – und können viel von den Kolleg:innen in Argentinien lernen, die sich seit Jahrzehnten für den Schutz des Pampashirsches einsetzen.

Unsere Savannen-Expertin Ilka Petersen im Gespräch

Paraguay - Zu Besuch bei Viehzüchter:innen und indigenen Gemeinden

Nachhaltige Beweidung erhält das Ökosystem © WWF Paraguay
Nachhaltige Beweidung erhält das Ökosystem © WWF Paraguay

Mit dem geballten Wissen der Projektkolleg:innen eine Woche lang in einem Raum zu sitzen und auf zwei bis drei Sprachen intensiv über Projektfortschritte zu diskutieren, ist intensiv, ermüdend und faszinierend zugleich. Aber nach der intensiven Arbeit kommt ein besonderes Vergnügen: die Besuche in der Landschaft.

Unser Projekt hat drei Schwerpunkte: Grasland und Savannen schützen, nachhaltig nutzen und wiederherstellen. In Paraguay haben wir zu allen drei Pfeilern die Menschen getroffen, mit denen der WWF Paraguay zusammenarbeitet. Die Arbeit der Kolleginnen ist dabei extrem vielfältig. Von größeren Viehzüchter:innen bis zu indigenen Gruppen arbeiten sie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen zusammen, um die Probleme vor Ort ganzheitlich anzugehen.

Wie Beweidung das Ökosystem erhält

Grasland und Savannen benötigen schonende und natürliche Beweidung, um die natürliche Vegetation zu erhalten und zu verhindern, dass sie von Büschen oder Bäumen übernommen wird. Extensive Rinderhaltung, bei der wenige Tiere auf einer großen Fläche grasen können, hilft so, die Balance des Ökosystems zu erhalten und zu verhindern, dass die Flächen in Anbauflächen für Reis und Soja umgewandelt werden.

Die Viehzüchter:innen, mit denen der WWF Paraguay zusammenarbeitet, setzen sich zum Beispiel für den Erhalt alter Creole-Rinderassen ein, die sehr gut an die schwierigen Bedingungen im Pantanal und Chaco angepasst sind. Durch ihre dunkle Haut ertragen sie die Hitze besser. Außerdem können sie die natürlich vorkommenden Gräser besser verwerten als die konventionellen Rassen, für die die heimischen Gräser gegen exotische Arten ausgetauscht werden.

Auswirkungen der Klimakrise mindern

Zulma Franco, indigene Anführerin © WWF Paraguay
Zulma Franco, indigene Anführerin © WWF Paraguay

In Paraguay treffen wir auch Zulma Franco. Sie ist indigene Anführerin und Präsidentin der Kleinerzeuger:innen der Ishir-Ybytoso-Gemeinde im Pantanal. Die Gemeinde setzt sich für nachhaltige Viehzucht ein und den Erhalt ihrer Muttersprache Ishir Ahwoso.

Wir unterstützen die Kleinerzeuger:innen dabei, sich mit anderen indigenen Gemeinden auszutauschen und Frauen-Kooperativen zu stärken. Zulma arbeitet in der Gemeinde als Dozentin und teilt ihr Wissen mit den anderen Frauen und Jugendlichen. Die Creole-Rinder können hier gut eingesetzt werden.

Gemeinsam kreative Lösungen entwickeln

In diesem Wasserreservoir wird Wasser für die Trockenzeit gespeichert © Kerstin Weber
In diesem Wasserreservoir wird Wasser für die Trockenzeit gespeichert © Kerstin Weber

Wasserknappheit ist in der Region ein großes Problem. Schon einige Male waren die Familien kurz davor, ihre Region zu verlassen und näher in die Nähe des Flusses zu ziehen.

Um in trockenen Zeiten der Wasserknappheit vorzubeugen, wurde ein Tajamar angelegt. Dies ist ein Wasserreservoir, das Regenwasser speichert – vor allem für die Viehhaltung in der Trockenzeit. Dank des Tajamar kann die Gemeinschaft in ihrer Region bleiben und muss nicht wegziehen.

Auch die indigene Gemeinde Estribo im Chaco spürt die Klimakrise deutlich im Alltag. Sie müssen bis zu acht Monate ohne Regen auskommen. Das Militär bringt in dieser Zeit Wasser in Kanistern.

Auch hier haben sich die Frauen in einer Kooperative zusammengeschlossen. Gemeinsam mit den Kolleginnen des WWF Paraguay arbeiten sie daran, das Vieh besser zu versorgen und Strohballen zu pressen, die sie verkaufen können. Aus den Pflanzen der Umgebung gewinnen sie Farben und Garn und flechten daraus Schmuck und Körbe.

Wir sind beeindruckt von so vielen starken Frauen. Auch wenn es frustrierend ist zu sehen, dass die menschengemachte Klimaerhitzung gerade sie so hart trifft, macht die gemeinsame Arbeit viel Hoffnung, dass wir die Auswirkungen zumindest mindern können.

Argentinien – wir treffen einen Nandu und Capybaras

Hoch zu Pferd kommt man am leichtesten durch die Savanne © FVSA
Hoch zu Pferd kommt man am leichtesten durch die Savanne © FVSA

Von Paraguay reisen wir weiter zu den Kolleginnen der Fundación Vida Silvestre in Argentinien. Wir wollen eine der Farmen besuchen, die wir dabei unterstützen, in ein privates Schutzgebiet umgewandelt zu werden.

Es hat viel geregnet, als unser Besuch ansteht. Unser Glück, denn durch den hohen Wasserstand „mussten“ wir mit den Pferden durch die Pampa reiten.

So konnten wir auf die schönste Art unsere Mikro-Korridore anschauen, die dank der Überzeugungsarbeit der Kollegen nicht mehr mit Mais oder Soja bepflanzt werden, sondern mit heimischen Gräsern. Auch ein Nandu hat den Korridor genutzt, als wir vorbeiritten.

Denn der weitere Vorteil, wenn man mit den Pferden unterwegs ist: Die meisten Wildtiere flüchten erst viel später. So konnten wir neben Capybaras auch verschiedene Arten von Gürteltieren aus nächster Nähe beobachten.

Hatte die Wiederansiedlung Erfolg?

Vor einigen Monaten hatten unsere Kolleg:innen zehn Vizcachas auf der Farm ausgewildert. Die nachtaktiven Nager haben früher die gesamte Pampa besiedelt. Heute sind sie hier teilweise verschwunden. Sie galten als Schädlinge und wurden für ihr Fleisch gejagt, ihr Lebensraum ist mittlerweile häufig zerstört.

Ihre Wiederansiedlung ist ein wichtiger Schritt für das ökologische Gleichgewicht, denn sie sind beispielsweise auch Hauptbeute für die vom Aussterben bedrohte Pampaskatze, Füchse und Pumas. Für ihre Tunnel, die auch anderen Arten als Zufluchtsorte dienen, stellen starke Regenfälle ein Risiko dar. Umso erleichterter war unser Kollege Bernardo, dass die Gruppe umgezogen war – unter den höher gelegenen Weg. In der Bildergalerie weiter unten sieht man, wie er versucht, sie zu rufen. Sie haben sich zwar nicht gezeigt, aber er hat darauf bestanden, er hätte sie gehört.

Am Ende von zwei fantastischen Tagen haben wir noch die Kamerafallen zusammen ausgelesen. Vizcachas waren noch keine zu finden, aber die Fallen erfreuten sich bei vielen anderen Arten großer Beliebtheit, zum Beispiel bei den allseits beliebten Capybaras.

Zurück an den Schreibtisch: Inspiriert und mit neuem Wissen im Gepäck

Nun sind wir zurück am Schreibtisch in Berlin. Unsere Reise durch die Savannen und Grasländer Südamerikas hat uns einmal mehr gezeigt, wie eng Natur, Menschen, Klima und Artenvielfalt miteinander verbunden sind.

Was als Projekt auf dem Papier beginnt, wird vor Ort lebendig – in den Begegnungen mit Viehzüchter:innen, indigenen Gemeinschaften und engagierten Kolleg:innen, die sich täglich für den Schutz dieser einzigartigen Landschaften einsetzen.

Die Herausforderungen sind groß: Wassermangel, Hitzeperioden, Umwandlung für landwirtschaftliche Flächen und der Verlust der biologischen Vielfalt bedrohen das Gleichgewicht dieser Ökosysteme. Doch ebenso groß ist der Einsatz der Menschen, die sich für eine nachhaltige Nutzung und den Erhalt ihrer Lebensräume einsetzen. Ihr Wissen und ihre Bereitschaft, neue Wege zu gehen, geben Hoffnung.

Die Erfahrungen und das neu erlangte Wissen von der Reise erinnern uns daran, warum wir tun, was wir tun: weil jeder Schritt zählt, um diese einzigartigen Ökosysteme zu erhalten.

Das Projekt ist Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI). Das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) fördert die Initiative aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

Autorinnen

Ilka Petersen © Daniel Seiffert / WWF
Ilka Petersen © Daniel Seiffert / WWF

Ilka Petersen

Senior Referentin Nachhaltige Landnutzung & Agrarlieferketten im Bereich Wirtschaft und Märkte beim WWF Deutschland

„Ich liebe die Savannen Lateinamerikas, gleichzeitig fasziniert mich auch die Arbeit in Sabah, Malaysia zum Thema Palmöl. Zum Glück muss ich mich nicht für eine Region entscheiden. Seit 16 Jahren setze ich mich beim WWF für nachhaltige Landnutzung , Landwirtschaft und Lieferketten ein. Die internationale Arbeit sorgt immer wieder für spannende Perspektivwechsel und meine Kolleginnen für Inspiration zum Weitermachen.

Kerstin Weber © Julia Thiemann / WWF
Kerstin Weber © Julia Thiemann / WWF

Kerstin Weber

Senior Programme Officer Sustainable Land Use im Bereich Lateinamerika beim WWF Deutschland

„Mein Ziel ist es, mit kleinen Schritten die Welt zu verändern. Ich habe Umweltwissenschaften und Ökolandbau studiert und arbeite beim WWF im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft und nachhaltigen Lieferketten, ;mit dem Fokus auf Lateinamerika. Landwirtschaft ist ein Haupttreiber für die Zerstörung wichtiger Ökosysteme und hat Auswirkungen auf Böden, Gewässer, Klima und Artenvielfalt. Wir setzen uns weltweit für eine naturverträgliche Landwirtschaft im Einklang mit unseren bestehenden Ressourcen ein.”

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