Einem Elefanten auf dem Schulhof zu begegnen, ist im Süden Kenias keine Seltenheit. Doch so aufregend das aus der Ferne klingen mag: Elefanten sind kräftige Tiere und können angreifen, wenn sie sich bedroht fühlen. Auch ihre Wasserstellen müssen sich Familien hier häufig mit Wildtieren teilen. Der WWF sorgt dafür, dass Schulen und Dörfer sicherer werden und schützt damit auch die Elefanten.

Kenianische Schülerin in Schuluniform
Juliet Malemba © Faith Tanui / WWF Kenia

„An einem Freitag versammelten sich während einer Schulstunde über 50 Elefanten vor der Tür. Das Chaos war überwältigend. Der Unterricht wurde zum Wagnis", berichtet Grundschullehrer Sammy Kirui von einem Vorfall an seiner Schule, wo Begegnungen mit Wildtieren lange zur Tagesordnung gehörten. „Elefanten, Giraffen und andere wilde Tiere streiften über das Gelände. Das Lernen schien unmöglich."

Doch wo Angst Alltag ist, fällt nicht nur das Lernen schwer. Viele Eltern schicken ihre Kinder gar nicht erst zur Schule.

Auch für Schülerin Juliet Malemba aus einer weiterführenden Schule der Region gehören Begegnungen mit wilden Tieren zur Realität: „Durch die Nähe unserer Schule zum Amboseli-Nationalpark sind wir ständig der Gefahr durch Wildtiere wie Elefanten ausgesetzt. Früher kamen sie ungehindert auf das Schulgelände. Das bedeutete verpasste Unterrichtsstunden, schlaflose Nächte und jede Menge Angst."

Amboseli: Land der Riesen

Die Schulen von Sammy Kirui und Juliet Malemba liegen – wie viele weitere – im Bezirk Kajiado im Süden Kenias und damit in der Amboseli-Kilimanjaro-Ökoregion. Dieses einzigartige und ökologisch sehr wertvolle Gebiet in Ostafrika erstreckt sich über die Grenze zwischen Kenia und Tansania und ist weltbekannt für seine frei umherziehenden, großen Elefantenherden.

Elefanten in weiter Savanne im Abendlicht
Afrikanische Elefanten sind die größten Landtiere unserer Erde © United Pictures Ltd / WWF Kenia

Außer den Elefanten leben hier beeindruckend viele weitere Wildtiere wie Löwen, Geparde, Büffel, Gnus, Zebras und Giraffen.

Das Herzstück der Region ist der Amboseli-Nationalpark in Kenia, der oft als „Land der Riesen“ bezeichnet wird. Er beherbergt eine der am besten geschützten und am längsten erforschten Elefantenpopulationen und einige der Elefanten mit den größten Stoßzähnen Afrikas.

„Diese Tiere sind nicht unsere Feinde, sie sind Teil unseres Erbes. Sie sind unser Gold in der Wüste.“

Stephen Ntokote, Schulleiter der Oloikarra Comprehensive School im Bezirk Kajiado, will die friedliche Koexistenz mit Wildtieren fördern

Zäune für sichere Schulen

Kinder spielen Fußball hinter einem Elektrozaun
Endlich sicher Fußball spielen! Elefantenzaun an der Lewis Secondary School. © Faith Tanui / WWF Kenia

Wildtiere kennen keine Schutzgebietsgrenzen. Viele Dörfer und Schulen liegen in wichtigen Wanderkorridoren, die den Amboseli-Nationalpark mit anderen Schutzgebieten verbinden. Die Menschen hier schätzen das Zusammenleben mit den Wildtieren. Doch das Risiko ist immer präsent.

„Unsere Lehrkräfte waren in ständiger Alarmbereitschaft. Es fühlte sich an, als wären wir permanent im Überlebensmodus statt in einer Lernumgebung“, erzählt auch Schüler Petra Matito, der zusammen mit Juliet Malemba die Amboseli Lewis Secondary School in Kajiado besucht. „Doch mit dem Zaun hat sich alles verändert.“

Petra Matito spricht von einer so einfachen wie effektiven Maßnahme: Über 20 Schulen in Wildtierkorridoren hat der WWF bis heute in Südkenia mit solarbetriebenen, elektrischen Elefantenschutzzäunen ausgestattet und schützt damit nicht nur Kinder und Lehrkräfte, sondern auch die Elefanten.

Konflikte zwischen Menschen und Elefanten

Wie in vielen Teilen der Welt, in denen sich Menschen und Wildtiere denselben Lebensraum teilen, kommt es auch in der Amboseli-Ökoregion regelmäßig zu Konflikten. Diese sind nicht nur gefährlich für die Menschen: Aus Angst, Verzweiflung oder Rache werden Wildtiere wie Elefanten immer wieder angegriffen. Denn die grauen Dickhäuter bedrohen nicht nur die Bildung an Schulen oder gar das Leben von Kindern und Erwachsenen. Sie zerstören auch Felder und Ernten, die für die Familien überlebenswichtig sind. Sogenannten Mensch-Wildtier-Konflikten vorzubeugen, etwa durch die Elefantenschutzzäune, ist deshalb ein zentraler Bestandteil der Artenschutzarbeit des WWF.

„Der Zaun hielt nicht nur die Elefanten fern, er ließ auch die Bildung herein.“

Sammy Kirui, Lehrer an der Eluai Narebo Grundschule, Bezirk Kajiado

Wasser lockt Wildtiere

Junge in Schuluniform zapft Wasser aus einem Tank
Schüler in Ilmarba, einem Ort nahe des Amboseli Nationalparks © Faith Tanui / WWF Kenia

Gerade in Regionen knapper Ressourcen – wie etwa Wasserstellen – verschärft sich die Konkurrenz zwischen Mensch und Tier. „In unserer Umgebung ist jeder Tropfen Wasser kostbar“, betont Schülerin Juliet Malemba aus Kajiado. „Etwas, das ich an unserer Schule sehr schätze, ist ihre Wasserversorgung. Doch ohne den Zaun konnten die Tiere jederzeit eindringen und die Leitungen beschädigen – besonders, wenn sie durstig waren.“

Vor allem in den Trockenzeiten dringen Elefanten immer wieder auf ungeschützte Schulhöfe und zerstören bei ihrer Suche nach Wasser auch die Infrastruktur, etwa Tanks und Leitungen.

Getrennte Wasserversorgung für Mensch und Tier

Auch jenseits der Schulhöfe ist Wasser ein ständiger Konfliktpunkt. An den wenigen Wasserstellen der Dörfer treffen Menschen, Vieh und Wildtiere aufeinander.

„Man stelle sich vor, man kommt morgens ins Badezimmer und muss erst einmal warten, bis der Elefant fertig ist“, verdeutlicht Afrika-Referent Johannes Kirchgatter, der das Projekt beim WWF Deutschland leitet.

Im Hintergrund trinkt ein Elefant aus einer betonnierten Tränke, im Vordergrund läuft eine bunt gekleidete, kenianische Frau
Elefant an Tiertränke © United Pictures Ltd / WWF Kenia

In vielen Gemeinden im Süden Kenias hat der WWF deshalb solarbetriebene Bohrlöcher installiert: Mit eigenen Tränken für Vieh und Wildtiere und getrennten Wasserzugängen für die Menschen.

Das nimmt die Gefahr – auch zum Beispiel der gegenseitigen Übertragung von Krankheiten. Die neuen Wasserzugänge erleichtern außerdem vor allem Frauen und Mädchen das Leben, die traditionell für die Wasserversorgung der Familie verantwortlich sind.

Sichere Schulwege

Nicht nur an den Wasserstellen oder in der Schule, auch auf dem Schulweg sind Begegnungen mit Wildtieren in Kajiado alltäglich. In Trainings lernen die Kinder deshalb, welche Wege sie meiden sollten, wie sie sich im Notfall verhalten – und dass sie nicht alleine handeln müssen: Speziell geschulte Rangerinnen und Ranger greifen ein und vertreiben die Tiere behutsam, bevor es zu gefährlichen Situationen kommt.

Friedliches Miteinander

Elefant vor Elektrozaun in der Dämmerung
Die Zäune wirken! © WWF Tansania

Afrikanische Elefanten sind die größten Landtiere der Erde. Damit sie auch in Zukunft in freier Wildbahn leben können, braucht es ein dauerhaft friedliches Miteinander von Mensch und Tier.

In der Amboseli-Kilimanjaro-Ökoregion schützt der WWF nicht nur Schulen, sondern ganze Dörfer und Ackerbaugebiete vor Elefanten und anderen Wildtieren - und damit vor der Gefahr, dass sie Ernten zerstören oder Menschen verletzen.

Neben modernen, solarbetriebenen Elektrozäunen kommen weitere, überraschend einfache Lösungen zum Einsatz. Zum Beispiel Bienen- und Blechstreifenzäune: Durch Drähte verbundene, frei hängende Bienenkästen wirken ebenso gut wie ein Elektro-Zaun. Stößt ein Elefant an den Draht, genügt schon das Summen der aufgescheuchten Bienen, um die ihn dauerhaft fernzuhalten. Denn Elefanten fürchten Bienen-Stiche sehr. Besonders günstig und einfach zu installierende Blechstreifen wirken ähnlich. Im Wind erzeugen sie klappernde Geräusche und Reflexionen, denen die Elefanten ausweichen. Es kann allerdings zu Gewöhnungseffekten kommen, da die schlauen Elefanten mit der Zeit lernen, dass - anders als bei Strom- oder Bienenzäunen - keine echte „Gefahr“ droht.

Der WWF in Kenia arbeitet gemeinsam mit Partnern so Schritt für Schritt an einer Zukunft, in der Koexistenz gelingen kann. Sicher für die Menschen, sicher für die Tiere und sicher für die gemeinsamen Lebensgrundlagen.

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