Ein turbulentes Jahr liegt hinter dem Waisenhaus für Braunbären in Rumänien: Ein umstürzender Baum zerstörte Anfang des Jahres den Elektrozaun, anstelle der kostspieligen und anfälligen Drohnen musste eine neue Idee zur Fütterung der Tiere her und mit mehr als 30 Tieren wurden so viele junge Bären wie noch nie zuvor in das Braunbären-Waisenhaus gebracht.

Das Jahr 2021 begann für das Team des Bären-Waisenhauses mit einem Schrecken: Ein Baum fiel auf den Zaun in der Nähe der Hütte, in der elf Bären aus dem Jahr 2020 ihren Winterschlaf hielten. Das Team um Leonardo Bereczky, dem Gründer des Waisenhauses für Bärenkinder, reparierte den Zaun so schnell wie möglich, doch die Bären-Jungen wurden von dem Trubel wach und fanden nicht mehr zurück zur Ruhe.

Für die Pfleger:innen eine immense zusätzliche Belastung, denn nun mussten sie die Bären auch im Winter füttern. Ein schwieriges Unterfangen, denn die Drohne, die das Team eigentlich zur Fütterung der Bären nutzt, ging bei einem Absturz zu Bruch. Und so mussten die Mitarbeiter:innen des Waisenhauses selbst in das Gehege, das durch Schnee und Eis noch unwegsamer geworden war, um das Futter zu verteilen. Immer darauf achtend, von den Bären-Jungen nicht bemerkt zu werden.

Bären versorgen – trotz Verletzung

Kurz danach verlor Leonardo bei einem Unfall mit einer Maschine beinahe zwei Finger – zum Glück lief alles glimpflich ab: Leonardo wurde operiert und bekam einen Gips. Trotz dieser Einschränkung ging er schnell zurück an die Arbeit im Waisenhaus. Und das war auch nötig, denn schon stand das erste Waisenkind vor der Tür, das von Leonardo per Hand gefüttert werden musste.

„Gombotz“ taufte das Team den kleinen Kerl, der von Waldarbeitern gefunden wurde und Ende Februar ins Waisenhaus kam. Seine Mutter hatte keinen richtigen Unterschlupf für sich und ihren Nachwuchs, sie hatte nur eine Nest-Ähnliche Struktur gebaut – darin fanden die Waldarbeiter den kleinen Bären. Von der Mutter keine Spur. Sie wurde wahrscheinlich vom Lärm der Arbeiten vertrieben.

Weil er noch so klein war und die Temperaturen Anfang des Jahres in Rumänien eisig waren, wurde Gombotz im Haus aufgenommen und rund um die Uhr betreut. Im April dann, als es langsam wärmer wurde, durfte er in die Bären-Hütte ziehen.

Ein turbulenter Sommer

Braunbären des Waisenhauses © Leonardo Bereczky
Braunbären des Waisenhauses © Leonardo Bereczky

2021 war für das Team des Waisenhauses für Braunbären ein sehr turbulentes Jahr. Von April an bis in den August hinein wurden so viele Bären-Waisen wie noch nie ins Waisenhaus gebracht. „Wir wurden fast jede Woche kontaktiert, um Bären-Junge abzuholen oder einzufangen, die ohne ihre Mutter gesehen worden waren oder gefunden wurden“, erzählt Leonardo.

„Wir bekamen Anfragen aus dem ganzen Land und fuhren zehntausende von Kilometern. Dabei arbeiteten wir eng mit Behörden, Jagdverbänden, Einheimischen und anderen Nichtregierungsorganisationen zusammen, um diesen Fellknäueln eine Chance auf ein normales Leben in der Wildnis geben zu können.“

Mehr als 30 Bären-Waisen gelangten so im Laufe des Jahres in das Waisenhaus, drei davon waren leider so krank, dass sie es nicht geschafft haben. Doch die meisten sind wohlauf und lernen nun im Waisenhaus für Braunbären, Winterruhe zu halten, selbständig Futter zu suchen, um irgendwann ein eigenständiges Leben in den Wäldern Rumäniens zu beginnen.

„Es ist ein Zusammenspiel mehrerer komplexer Faktoren, das dazu geführt hat, dass wir in diesem Jahr so viele Bären-Waisen aufnehmen mussten“, erklärt Leonardo. „Wir vermuten, dass die Qualität ihres natürlichen Lebensraums durch Abholzung, Tourismus und die Entwicklung von Infrastruktur – kurzum: die menschliche Anwesenheit – zunehmend schlechter wird. Dazu kommt der milde Winter, den wir hatten. Es lag so wenig Schnee, dass die Menschen eigentlich den ganzen Winter über im Lebensraum der Bären aktiv waren. Das hat vermutlich dazu geführt, dass die Bärenmütter ihre Jungen während der Setzzeit häufiger verließen.“

Alte Projekte abschließen, neue beginnen

Zwischen all den Transporten, den alltäglichen Arbeiten wie Vorräte einkaufen und Bären-Jungen füttern, baute das Team um Leonardo auch die Infrastruktur des Waisenhauses weiter aus. „In diesem Jahr haben wir die letzten beiden Gehege mit mehreren hundert Metern Elektrozaun neu gebaut. Es war harte Arbeit für uns, aber im November haben wir es geschafft, alle Gehege zu erneuern“, erzählt Leonardo.

Neben der wichtigen Aufgabe, kleine Bären-Kinder groß zu bekommen und in die Freiheit zu entlassen, ist vor allem auch die Forschung zu Braunbären wichtig für die Mitarbeiter:innen des Bären-Waisenhauses. „Wir möchten mehr über diese Tiere lernen und haben dazu zwei der Waisen aus dem Jahr 2020 mit GPS-Video-Halsbändern ausgestattet und ihr Verhalten über mehrere Wochen beobachtet“.

Braunbären-Fütterung per Seilbahn

Junge Braunbären in Rumänien © Leonardo Bereczky
Junge Braunbären in Rumänien © Leonardo Bereczky

Wohl wichtigstes Projekt 2021 war aber die Überarbeitung des Fütterungskonzepts. „Drohnen sind zwar gut geeignet, um Futter auf einer großen Fläche zu verteilen, aber sie sind sehr teuer und in der Umgebung, in der wir arbeiten, eher unzuverlässig. Wir können sie nur bei guten Wetterverhältnissen einsetzen und sie können nur wenig auf einmal transportieren“, berichtet Leonardo. „Jede Drohne kann nur etwa 5 Kilogramm Futter tragen. So dauert allein die Fütterung der diesjährigen Waisen etwa vier Stunden pro Tag – so bleibt uns nur wenig Zeit für andere Arbeiten.“

Die Idee: Ein Seilbahn-System, über das die Bären künftig mit Futter beliefert werden sollen. Mit dem Bau eines Prototyps hat das Team bereits begonnen: „Insgesamt benötigen wir drei verschiedene Seilbahnen, um alle Gehege zu erreichen. Die erste ist 400 Meter lang“, erklärt Leonardo. „Wir mussten auf mehrere hohe Bäume klettern, um die Kabel zu befestigen – und auf viele andere Bäume, in denen sich die Kabel verfangen haben, während wir sie gespannt und hochgezogen haben. Wenn alles gut geht, werden wir dieses Jahr einen funktionierenden Prototyp haben.“

Im Frühjahr ziehen wieder Bären aus

Die elf verwaisten Bärenjungen aus dem Jahr 2020 wohnen derzeit noch im Bären-Waisenhaus, doch bald wird es Zeit für sie, die geschützte Umgebung zu verlassen. Im Frühjahr dieses Jahres ist es so weit. Wenn alle gesund und munter sind, wird das Team des Waisenhauses für Braunbären das Tor des letzten Geheges, das zum Wald führt, öffnen und die Bären in die Freiheit entlassen.

Das Braunbären-Waisenhaus braucht Hilfe

Die Arbeit für die Bären ist kostspielig und wird vor allem mit Hilfe von Spenden finanziert. Anfangs benötigen die oft unterernährten Bären ärztliche Hilfe – und im Laufe der Zeit natürlich jede Menge Futter. 

Der WWF unterstützt die Auffangstation für Bärenkinder; die Hilfe dafür ist Teil des groß angelegten Engagements des WWF zu großen Beutegreifern. Ziel des Projekts LIFE EuroLargeCarnivores ist es, einen europaweiten Austausch zu ermöglichen und bestehende Lösungen für das Zusammenleben mit Wildtieren bekannter zu machen.

Das können Sie für die Braunbären tun

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