Die meisten unserer heimischen Flussfische sind Wanderfische. So wie es auch Zugvögel tun, müssen Wanderfische im Laufe ihres Lebens ganz unterschiedliche Lebensräume erreichen. Viele Arten wandern dazu über lange Strecken. Die Begradigung und der Ausbau von Flüssen, ihre Zerschneidung durch Wehre und Wasserkraftwerke, schlechte Wasserqualität und Überfischung haben viele dieser Arten an den Rand des Aussterbens gebracht. 

Rückkehr eines alten Bekannten

Baltischer Stör (mit kleinem Sender) vor der Auswilderung in die Oder © Nils Brevé, Sportfischerverband Niederlande
Baltischer Stör (mit kleinem Sender) vor der Auswilderung in die Oder © Nils Brevé, Sportfischerverband Niederlande

Laut Living Planet Index sind die europäischen Wanderfischbestände seit 1970 um 93 Prozent eingebrochen. Dabei waren Arten wie Lachs, Huchen und Stör bei uns einst weit verbreitet.

Die letzte wildlebende Population Europas hat in Frankreich überlebt. Doch große Anstrengungen von Wissenschaftler:innen und Naturschützer:innen um die Wiederansiedlung von Stören an Elbe und Oder zeigen nun erste Erfolge. Vor fast 30 Jahren startete ein Wiederansiedlungsprogramm des IGB (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei) und des französischen INRAe (French National Research Institute for Agriculture, Food, and Environment). Mehrere tausend Jungtiere wurden aufgezogen und in Gironde und Elbe ausgesetzt. In den Jahren 2021 und 2022 konnten bislang sechs geschlechtsreife Tiere nachgewiesen werden, die in die Elbe zurückkehrten. Ein großer Erfolg für den Artenschutz! Aber diese Heimkehr ist mit vielen Herausforderungen verbunden.

Gefahr durch Wasserstraßenausbau

Sowohl an der Elbe als auch an der Oder wird die Wiederansiedlung der Störe durch Planungen für Unterhaltung und Ausbau der Wasserstraßen gefährdet. Im Unterlauf der Elbe versperrt z.B. ein Sauerstoffloch den Weg, das unter anderem durch die Elbvertiefung verursacht wird. Die meisten ehemaligen Laichgebiete und Lebensräume für Jungfische sind dem Ausbau der Flüsse zum Opfer gefallen. Ein Regierungsabkommen mit Tschechien zur Schiffbarkeit der Elbe und eines mit Polen zur Stromregulierung der Oder lassen befürchten, dass weitere gravierende Eingriffe auf die Flussökosysteme zukommen. „Der Ausbau würde konkret bedeuten, dass der Fluss zu einem Kanal umgestaltet wird“, fasst Jörn Gessner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin die Bedrohung für die Oder zusammen.

„Die aktuelle Vielfalt an Strukturen wie Bänken und tiefen Löchern soll verschwinden. Das ist erklärtes Ziel. Genau die benötigt der Stör aber während der Laichzeit oder als Winterlager. Und nicht nur der, sondern alle typischen Flussfischarten. Deshalb steht der Stör hier für eine Vielzahl von anderen Flussfischen, die vergleichbare Ansprüche an ihre Lebensräume haben. Daher besteht durch die Maßnahmen die Gefahr, dass sowohl Fischbestand, als auch Artenvielfalt stark beeinträchtigt werden. Für den Stör, wie auch für viele andere Wanderfischarten, ist der Ausbau der Oder schlicht eine Katastrophe. Hier wäre das genaue Gegenteil erforderlich, um die Lebensbedingungen weiter zu verbessern.“

Jörn Gessner, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin

Die Planungen hängen wie ein Damoklesschwert über den beiden Flüssen. Und über den urigen Riesen aus dem Zeitalter der Dinosaurier, deren Überleben auf dem Spiel steht. 

Die WWF-Arbeit an der Mittleren Elbe

Wehr an der Mulde (bei Dessau) mit Aufstiegsanlage (links) © Karl Heinz Jährling
Wehr an der Mulde (bei Dessau) mit Aufstiegsanlage (links) © Karl Heinz Jährling

An der Mittleren Elbe und einem ihrer Nebenflüsse, der Mulde, arbeitet der WWF Deutschland seit vielen Jahren an der Revitalisierung von Fluss und Aue. Auch die Rückkehr des Europäischen Störs soll hierdurch unterstützt werden. So wurden an der Mulde bei Dessau Uferbefestigungen abgetragen, Naturufer sind entstanden, der Fluss kann Geschiebe umlagern und Kiesbänke schaffen. Die Mulde bietet inzwischen wieder die Voraussetzungen, ein Laichgebiet für Störe zu werden. Zudem ermöglicht eine Fischaufstiegsanlage den Tieren das Vorbeiwandern am Dessauer Muldewehr.

„Die Mulde bei Dessau ist eines der letzten noch naturnahen ehemaligen Laichgewässer des Störs in Deutschland. Die Wiederansiedlung des Störs hat der WWF hier mit Renaturierungsmaßnahmen flankiert, die dem Fluss wieder mehr Eigendynamik erlauben und Lebendigkeit zurückgeben“

Tobias Schäfer, Referent für Gewässerschutz beim WWF Deutschland

Auch an der Elbe wird die Entwicklung von naturnahen Uferstrukturen für Stör und Co. für den WWF ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt der nächsten Jahre sein. Denn im Zuge des Ausbaus der Elbe als Wasserstraße verschwanden die meisten Kiesbänke und andere Lebensräume im Fluss, die für den Lebenszyklus der Störe und anderer Flussfische eine essenzielle Rolle spielen. Dort, wo Uferbefestigungen entfernt wurden und im Fluss wieder mehr Strukturvielfalt entsteht, kehren viele Arten wieder zurück.

Damit die Wiederansiedlung der Störe gelingt, braucht es insbesondere diese drei Dinge:

  • Wiederherstellung der Durchgängigkeit und Erhalt der Wanderrouten
  • Erhalt und Wiederherstellung naturnaher und strukturreicher Laichflüsse
  • Reduzierung des Beifangs durch nachhaltiges Fischereimanagement

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