Die Brände im Amazonasgebiet Brasiliens erreichen Anfang September Rekordwerte. Neben klimatischen Faktoren spielt besonders die baldige Präsidentenwahl eine gewichtige Rolle.

Im brasilianischen Amazonasgebiet wüteten in den ersten fünf Tagen im September knapp 15.000 Brände. Das sind die schlimmsten Ausbrüche seit 15 Jahren. Trauriger Tiefpunkt war der 4. September mit 3.393 Hotspots – der höchste gemessene Wert an einem einzelnen Tag seit 2007.

Grund ist auch die Wahl im Oktober

Präsident Bolsonaro auf einer Agrar-Parade am 07.09.2022 © Imago / Fotoarena / Ton Molino
Präsident Bolsonaro auf einer Agrar-Parade am 07.09.2022 © Imago / Fotoarena / Ton Molino

Ein Grund für die extrem hohe Anzahl an Bränden könnten die Wahlen im Oktober sein. Unterstützer des amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro befürchten seine Abwahl – und damit „eine Verschärfung der Umweltpolitik mit verstärkten Kontrollen und strengeren Gesetzen“, wie Professorin Aiala Colares von der UEPA (Universität des Bundesstaates Pará) erläutert.

In den Gebieten, in denen diese Brandstiftungen stattgefunden haben, ist der Einfluss der Bolsonaro-Anhänger besonders stark. „Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Wahlen und den Gebieten, die einige Kriminelle nutzen, um ihr Weideland zu vergrößern“, sagt Aiala Colares.

„Der Amazonas ist ein feuchter Tropenwald, Feuer ist nicht Teil seines natürlichen Zyklus. Daher entstehen Brände hier nicht auf natürliche Weise, sondern sind immer mit menschlichen Eingriffen verbunden.“

Mariana Napolitano, wissenschaftliche Leiterin WWF-Brasilien

Landraub, Invasion, illegale Besetzung

Kühe auf einer abgerodeten Fläche © Luis Barreto WWF-UK
Kühe auf einer abgerodeten Fläche © Luis Barreto WWF-UK

Die Feuer, die ganze Baumbestände niederbrennen, werden von kriminellen Landdieben, sogenannten Grileiros, fast alle absichtlich gelegt, um Land für Landwirtschaft und Viehzucht zu roden. „Im Amazonasgebiet sind Brände das letzte Stadium der Entwaldung und stehen in engem Zusammenhang mit Landraub, Invasion und illegaler Besetzung von öffentlichem Land“, so Mariana Napolitano, wissenschaftliche Leiterin des WWF-Brasilien.

Die Umwandlung von Wald in Weideflächen ist eine ökologische Katastrophe, denn der Regenwald ist dann für immer zerstört. Selbst, wenn der Wald nicht ganz gerodet und abgebrannt wird, bleibt ein degradierter Wald zurück. Die abgebrannten Gebiete haben weniger große Bäume, eine leicht entflammbare, trockene Biomasse und sind sehr anfällig für Brände.

Wetterphänomen La Niña

Ein weiterer Grund für die Zunahme der Feuer ist das Wetterphänomen La Niña. Hierbei kommt es zu überdurchschnittlich hohen Luftdruckunterschieden zwischen Südamerika und Indonesien, die zu stärkeren Passatwinden und höheren Temperaturen führen. Darüber hinaus sind im Amazonasgebiet die Monate August und September ohnehin die trockensten.

Die Folgen: Natur, Tiere und der Mensch sind bedroht.

Der Rauch der Waldbrände in Rio Branco © Odair Leal / WWF-Brazil
Der Rauch der Waldbrände in Rio Branco © Odair Leal / WWF-Brazil

„Die Brände haben unmittelbare Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt. Sie wirken sich auch auf die Gesundheit der Bevölkerung in der Region aus, die unter der Luftverschmutzung leidet. Und das wiederum überlastet das öffentliche Gesundheitssystem“, beschreibt Mariana Napolitano die Folgen.

In Rio Branco etwa ist die Luftverschmutzung zehnmal höher als der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Höchstwert. Langfristige Auswirkungen bringt die Zerstörung des Regenwaldes jetzt schon mit sich: So ist die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, weil die extreme Hitze zum Beispiel den Ertrag von Sojabohnen deutlich reduziert. Städte leiden unter extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen, die auf Veränderungen des Klimas in der Region zurückzuführen sind. Beispielsweise ist es in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwa durch die stärkere Erwärmung des atlantischen Ozeans zu immer häufigerem und intensiverem Hochwasser am Amazonas gekommen.

Doch nicht nur für die Region, sondern auch für die ganze Welt ist die Entwicklung gefährlich. „Der Amazonas kann eine solche Zerstörung nicht mehr verkraften“, warnt Edegar de Oliveira, Direktor für Naturschutz und Wiederherstellung beim WWF-Brasilien. Der baldige Kipppunkt für das Weltklima droht.

Rückblick: Höchstwerte setzen sich fort

Schon im August dieses Jahres hatte es laut Institut für Weltraumforschung (INPE) mit 33.116 Feuerausbrüchen im Amazonasgebiet die meisten Brände in einem August seit 2010 gegeben. Und auch der Mai 2022 brach alle Rekorde seit 2004. Zusätzlich meldete die angrenzende Cerrado-Savannenregion damals die verheerendsten Brände in einem Mai seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die Befürchtungen zu Beginn 2022, dass die Brände in diesem Jahr Rekorde erreichen könnten, haben sich leider bestätigt: Am 8. September wurden bereits 18.374 Brände allein für diesen Monat registriert – mehr als im gesamten September des Vorjahres, in dem insgesamt 16.724 verzeichnet wurden!

Ausblick und Lösungen

Über 100.000 Tonnen Soja passt in diesen Frachter in Amsterdam © WWF-NL
Über 100.000 Tonnen Soja passt in diesen Frachter in Amsterdam © WWF-NL

„Es ist dringend notwendig, nicht nur die Kontrolle wiederherzustellen, sondern auch eine effizientere öffentliche Politik für den Erhalt des Waldes und die nachhaltige Nutzung seiner reichen Artenvielfalt zu betreiben“, fordert Edegar de Oliveira.

Die Errichtung von Schutzgebieten und Unterstützung für die lokale Bevölkerung zählen ebenso zu möglichen Lösungen wie jene, den Druck auf deutsche Unternehmen bei ihren Lieferketten zu erhöhen. Fleisch, Kakao, Soja und andere Agrarrohstoffe, die in Deutschland produziert und gehandelt werden, verursachen Entwaldung weltweit. Der Amazonas ist davon auch stark betroffen. Daneben hat der WWF fünf klare Forderungen, um die Ursachen der Waldbrände konsequent zu bekämpfen. Und dann bleibt noch die Frage, wer am 2. Oktober die meisten Stimmen bekommen wird ...

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