Zerstören wir den Wald, werden wir krank. Auf diesen einfachen Nenner könnte man die Ergebnisse einer Studie bringen, die der WWF Brasilien jetzt veröffentlichte.

Luftverschmutzung, Hitze, die Zerstörung von Nahrungsmitteln und die Ausbreitung neuer Krankheiten – das sind die Folgen von Abholzung und Waldbränden, die die Gesundheit der Menschen in der direkten Umgebung, aber auch weit darüber hinaus, beeinträchtigen. Und auch die mentale Gesundheit leidet unter der Naturzerstörung.

Mariana Napolitano vom WWF-Brasilien fasst zusammen: „Brasilien gehört zu den Weltmeistern der Entwaldung. Diese Verluste wirken sich direkt auf das Klima aus und begünstigen das Auftreten neuer Zoonosen.“

Luftverschmutzung schädigt Lunge und Herz

Brand mit starker Rauchentwicklung im Amazonas © Nigel Dickinson / WWF
Brand mit starker Rauchentwicklung im Amazonas © Nigel Dickinson / WWF

Als Folge massiver Waldbrände im Amazonas bildeten am 19. August 2019 dunkle Rauchwolken über São Paulo ein giftiges Gemisch aus Feinstaub, Kohlenmonoxid und anderen Giftstoffen. Die Rauchbildung war so stark, dass sich der Himmel über der brasilianischen Millionenstadt verdunkelte. Die neue WWF-Studie zeigt: Zwischen solchen Bränden und der Zahl der Atemwegserkrankungen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang: Je höher der Anteil an Feinstaub in der Luft, umso mehr Menschen werden mit Atemwegsproblemen in Krankenhäuser aufgenommen. Besonders betroffen: Kinder und ältere Menschen.

Die giftigen Rauchwolken können Millionen von Quadratkilometern abdecken und in Zeiten extremer Dürre und vieler Feuer auch die Sterblichkeitsrate durch Herz-Lungen-Krankheiten erhöhen sowie genetische Schäden verursachen, die zur Entwicklung von Lungenkrebs beitragen. 2005 und 2010 lag die Sterblichkeitsrate bereits dreimal höher als im Durchschnitt. Jedes Jahr in der Trockenzeit zwischen Juni und Oktober müssen rund 120.000 Menschen im brasilianischen Amazonas mit Asthma, Bronchitis oder Lungenentzündung ins Krankenhaus.

Abholzung erhöht die Gefahr neuer Krankheiten

Goldmine im Amazonas © Edward Parker / WWF
Goldmine im Amazonas © Edward Parker / WWF

Die Studie zeigt außerdem: Die Waldvernichtung kann die Übertragung von Infektionskrankheiten und sogar das Auftreten neuer Krankheiten verstärken. Eine Zunahme der Entwaldung um zehn Prozent führt beispielsweise zu einem Anstieg der Malaria-Inzidenz um 3,3 Prozent.

Bei indigenen Yanomami, die in Regionen leben, in denen Wälder für illegalen Goldabbau zerstört wurden, kam es zu einer beispiellosen Explosion der Malariafälle: Die Zahl stieg von fünf Fällen im Jahr 2014 auf 3.585 an Malaria erkrankten Menschen im Jahr 2020.

Auch die derzeitige Covid-19-Pandemie ist wahrscheinlich eine Folge des menschlichen Drucks auf die Ökosysteme. Im vergangenen Jahrhundert haben sich im Durchschnitt zwei neue Viren pro Jahr von tierischen Wirten auf die menschliche Bevölkerung ausgebreitet, zum Beispiel Ebola, Dengue, MERS, SARS und Zika.

Das Risiko des Auftretens neuer Zoonosen ist in den tropischen Regenwäldern besonders hoch, weil es dort eine große Vielfalt an Nagetieren, Primaten und Fledermäusen gibt, aber auch, weil dort sehr viel Wald vernichtet und Lebensräume zerschnitten werden. Die Waldvernichtung vergrößert außerdem den Lebensraum für bestimmte krankheitsübertragende Arten (sogenannte Vektoren) – allen voran den der Mücken. Haben sie mehr Lebensraum zur Verfügung, führt das direkt zu einem Anstieg der mit ihnen verbundenen Krankheiten (z. B. Malaria, Zika und Dengue).

Belastung durch extreme Hitze steigt

Wolken über Peru © Day's Edge Productions / WWF USA
Wolken über Peru © Day's Edge Productions / WWF USA

Der Amazonaswald verdunstet große Mengen Wasser in die Atmosphäre und sorgt so für Kühlung. So liegt die Oberflächentemperatur in bewaldeten Gebieten des südöstlichen Amazonasgebiets während der Trockenzeit tagsüber in der Regel um fünf Grad Celsius niedriger als in abgeholzten Gebieten.

Menschen sind jedoch ab einer Lufttemperatur von 36 Grad in Verbindung mit 100 Prozent Luftfeuchtigkeit nicht mehr in der Lage, ihre überschüssige Wärme durch Schwitzen abzugeben. Liegen die Temperaturen darüber, kann auch eine geringere Luftfeuchtigkeit zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen führen. Wird der Amazonas weiter abgeholzt, könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts fünf Millionen Menschen für viele Stunden, Tage und Monate im Jahr einer solchen extremen Hitze ausgesetzt sein.

Intakte Wälder fördern die mentale Gesundheit

Dass ein Waldspaziergang die Stimmung hebt, ist wohl eine Binsenweisheit. Trotzdem wird die Bedeutung des Erlebens intakter Natur auf das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit oft unterschätzt. Wer sich in der Natur aufhält, spürt nicht nur ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verbindung. Das Naturerleben trägt ganz konkret zu einer Senkung des Blutdrucks bei, verringert stressbedingte Hormone, verbessert die Herzfrequenz und die kognitiven Funktionen und kann so Krankheiten vorbeugen.

Verlust von Nahrung durch zerstörte Wälder

Das Amazonasgebiet ist ein Zentrum der genetischen Vielfalt verschiedener Nutzpflanzen wie Maniok, Erdnuss, Mais, Süßkartoffel, Yamswurzel, Pfeffer, Açaí, Cupuassu, Graviola und Paranuss. Im Cerrado wachsen über einhundert einheimische Pflanzenarten, die die Menschen mit nährstoffreichen Früchten und Nährstoffen versorgen. Deshalb gefährden Abholzung und Brände auch die Nahrungssicherheit der Bevölkerung dort. Für den Anbau von Soja und Rindfleisch werden riesige Flächen benötigt, Monokulturen breiten sich aus und verdrängen die Vielfalt der traditionellen Nutzpflanzen.

Gesunde Wälder, gesunde Menschen

Gemüseanbau mit Agroforst-Methoden, Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF-UK
Gemüseanbau mit Agroforst-Methoden, Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF-UK

Fazit: Die Zerstörung von Waldökosystemen kann ernsthafte Risiken für die menschliche Gesundheit nach sich ziehen. Die Studie zeigt aber auch Maßnahmen, die dazu beitragen können, die Ökosystemleistungen der Wälder zu erhalten und die Risiken ihrer Zerstörung zu vermeiden. Dazu gehören die Erhaltung der Wälder, eine bessere Landschaftspflege und die Wiederherstellung abgeholzter oder geschädigter Wälder.

Als eine der Lösungen für nachhaltige Landwirtschaft hebt die Studie Agroforstsysteme hervor, die häufig auf dem traditionellen Wissen indigener Gemeinschaften beruhen. Dabei werden landwirtschaftliche Flächen zum Beispiel mit Baumpflanzungen kombiniert, so dass eine abwechslungsreiche Landschaftsstruktur entsteht. Der Erhalt natürlicher Ökosysteme und die Umstellung auf Agroforstwirtschaft könnten die Qualität der Ernährung, die Nahrungsmittelvielfalt und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung gewährleisten.

Mariana Napolitano, Wissenschaftsmanagerin beim WWF-Brasilien, bringt die Situation auf den Punkt: „Wer sich um seinen Planeten kümmert, kümmert sich auch um seine Gesundheit.“

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