Als einziges Land der Welt hat Bhutan einen Index fürs Glücklichsein eingeführt, den „Gross National Happiness Index“ (GHI). Während in Deutschland und in Europa noch immer das Wirtschaftswachstum in Form des Bruttoninlandsprodukts als Maßstab für den Wohlstand einer Gesellschaft gilt, setzt man in Bhutan mit dem GHI bereits auf einen wesentlich nachhaltigeren Maßstab, der auch Umweltaspekte und soziale Faktoren mit einbezieht.

Was in vielen Teilen der Welt noch Initiative oder Theorie ist, wird von dem kleinen Königreich im Himalaja mutig umgesetzt: Wirtschaftliche Entwicklung wird immer ausgewogen betrachtet, und soziale und ökologische Konsequenzen werden mitbedacht. Eine sektorübergreifende „Gross National Happiness“-Kommission unterstützt bei der Weiterentwicklung und Entscheidungsfindung.

Und diese nachhaltige holistische Denkweise setzt immer wieder neue Maßstäbe. Bhutan hat sich beispielweise – ebenfalls als einziges Land der Erde – dazu verpflichtet, vollständig klimaneutral zu bleiben.

Königreich voller Naturschätze

Tiger in der Kamerafalle in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK
Tiger in der Kamerafalle in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK

Das kleine Königreich Bhutan liegt eingebettet zwischen den Bergmassiven Tibets und Indiens inmitten einer atemberaubenden Landschaft. Das Land ist etwa so groß wie die Schweiz, es leben aber nur ungefähr so viele Menschen dort wie in Frankfurt am Main.

So klein das Land ist, so reich ist es an Naturschätzen. Nicht weniger als 700 Vogel- und 200 Säugetierarten gibt es in Bhutan, darunter so seltene Arten wie Tiger, Schneeleopard, Asiatischer Elefant und Roter Panda.

Doch auch über die Grenzen hinweg ist das Land und seine Natur von immenser Bedeutung: Die Gletscher und Quellen des Himalajas versorgen etwa ein Fünftel der Menschheit mit Süßwasser.

Gesundes Land, gesunde Menschen

In Bhutan weiß man um die Wichtigkeit einer intakten Natur. Und so sind bereits 51 Prozent der Fläche des Landes unter Schutz gestellt. Außerdem ist in der Verfassung verankert, dass mindestens 60 Prozent der Fläche für immer bewaldet sein müssen. Darüber hinaus hat sich Bhutan vor der internationalen Gemeinschaft verpflichtet, für immer kohlenstoffneutral zu bleiben.

Möglich ist all das, weil ein visionärer Monarch bereits in den 1970er Jahren auf die Philosophie des „Bruttonationalglücks“ als Bezugsrahmen für die Entwicklung des Landes setzte. Als Gegenmodell zum Bruttonationaleinkommen (BNE), das Wohlstand nur finanziell bewertet, zielt das Bruttonationalglück auf eine ganzheitlich nachhaltige Entwicklung ab: Ökologische, spirituelle und soziale Aspekte gelten den ökonomischen als gleichwertig.

Herausforderung Klimakrise

Nagada lhamo mit ihrer Yak-Herde in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK
Nagada lhamo mit ihrer Yak-Herde in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK

All das klingt sehr gut – und das ist es auch. Und dennoch steht Bhutan vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, auf die es zum Teil gar keinen Einfluss hat: die Klimakrise zum Beispiel. Bereits jetzt ist in den Hochgebirgslagen ein Temperaturanstieg von 2,1 Grad Celsius messbar. Damit einher gehen Gletscherschmelzen, heftige Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche. Das hat zur Folge, dass die Böden weniger Wasser speichern können, was wiederum dazu führt, dass Trinkwasser knapp wird und auch Wasser für die Landwirtschaft fehlt.

Hinzu kommt, dass die größtenteils ländliche Bevölkerung in Bhutan nach wie vor unter ärmlichen Bedingungen lebt, denn Bhutan gehört noch immer zu den am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Die Menschen vor Ort leben hauptsächlich von Ackerbau und Viehzucht. Sie wünschen sich wirtschaftliche Entwicklung und benötigen mehr Ackerland, um sich unabhängiger von Importen aus Indien zu machen.

Natur und Kulturgüter durch ökologische Raumplanung schützen

Bis dato hat der WWF Bhutan – mit Unterstützung des internationalen WWF Netzwerks und in guter Partnerschaft mit der Regierung und den Forstämtern des Königreich Bhutan – vor allem in Schutzgebieten gearbeitet.

Ein neues Projekt, finanziert durch die Internationale Klimainitiative (IKI) der deutschen Bundesregierung, wirft jetzt einen genaueren Blick auf die Landschaften außerhalb von Schutzgebieten, und zwar auf Landschaften und Gebiete mit besonderem Schutzwert – sogenannte High Conservation Values.

„Ziel ist es, eine gute Balance zu finden zwischen Nutzung und Schutz.“

Michael Zika, Asien-Experte beim WWF Deutschland

Aus der naturschutzfachlichen Perspektive stellen sich hier ganz grundsätzliche Fragen: Welche Landschaften erbringen besonders wichtige Ökosystemleistungen und verdienen daher Schutz? Welche Landschaften verdienen Aufmerksamkeit aus Gründen des Artenschutzes oder weil sie religiöse oder kulturelle Schutzgüter beherbergen? Wie kann man diese Gebiete erfassen und dann auch über die nächsten Jahre kontinuierlich monitoren? Fragen wie Antworten sollen Erhalt oder schonende Nutzung langfristig sicherstellen.

Zusammenarbeit von lokaler Bevölkerung, Behörden und NGOs

Um hier erfolgreich zu sein, erarbeitet der WWF auf nationaler Ebene mit Ministerien und Kommissionen eine nachhaltige nationale Raumplanung. Sie bildet das Rahmenwerk für alle langfristigen Entscheidungen. Auf regionaler Ebene schult der WWF das Personal der Forstverwaltungen, stellt Ausrüstung zum Monitoring bereit und erstellt gemeinsam mit ihnen Nutzungspläne.

Ranger überwachen einen Wildtierkorridor in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK
Ranger überwachen einen Wildtierkorridor in Bhutan © Emmanuel Rondeau / WWF UK

Eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele auf lokaler Ebene ist nur in enger Zusammenarbeit mit den einzelnen Bevölkerungsgruppen vor Ort möglich. Gemeinsam mit ihnen arbeitet der WWF in Partnerschaft mit Tarayana Foundation, einer nationalen NGO, die bereits viel Expertise in der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Dörfern hat, an der nachhaltigen Nutzung und Vermarktung von lokalen Produkten wie Pilzen, Farnen oder anderen Nichtholzprodukten aus Wäldern und anderen Ökosystemen.

Darüber hinaus werden Ursache und Lösungen für die lokalen Probleme mit den Wasserressourcen gesucht.

Ein dritter Arbeitsschwerpunkt gilt den Mensch-Tier-Konflikten, die je nach Region und Höhenlage unterschiedlich ausfallen: von Problemen mit Wild- und Stachelschweinen, mit Affen wie den Goldlanguren, aber auch mit Elefanten, Tigern und Schneeleoparden braucht es vielseitige Lösungsansätze. Hier setzt der WWF auch auf die Erfahrung seines lokalen Kooperationspartners, der Tarayana Foundation.

Ziel der Arbeit des WWF bis zum Jahr 2028 ist es, in Zusammenarbeit mit der Tarayana Foundation, den bhutanischen Behörden und lokalen Gemeinden, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und dabei die Hotspots der Artenvielfalt sowie die Ökosystemleistungen der einzigartigen Natur Bhutans langfristig zu sichern.

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  • Himalaja © Shutterstock / Olga Danylenko / WWF Himalaja-Region - das Dach der Welt

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