Es ist schon über eine Woche her, seit Han Sakhan zuletzt zuhause war. Und trotzdem will er nur ungern den Wald verlassen. Der Grund ist einfach: Jeder Einzelne wird benötigt, um das Schutzgebiet zu bewachen. Denn „Wildlife Crime“ – also Wilderei, Schmuggel und illegaler Handel mit wilden Tieren und Pflanzen – ist außer Kontrolle geraten.

Spezialisierte Banden hinterlassen derzeit eine regelrechte Spur der Zerstörung in der sogenannten „Eastern Plains“-Landschaft, dem besterhaltenen Trockenwald-Gebiet der Mekong-Region – also der Länder Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam.

In den 1950er Jahren erlangten die Eastern Plains Berühmtheit als „Serengeti Asiens“. Tiger, Leoparden, Elefanten, sogar der legendäre Waldochse, das Kouprey, waren hier beheimatet. Doch seitdem ist in Kambodscha viel passiert – wilde Tiger wurden hier zuletzt im Jahr 2007 gesichtet, das Kouprey ist schon viel länger ausgestorben. Die Regierung Kambodschas hat nun einen ehrgeizigen Plan entwickelt: das Land der Khmer soll bis zum Jahr 2022 wieder Tigerland werden.

Kambodscha soll Tigerland werden

Eine gute Kondition ist wichtig für den harten Alltag der Ranger © Ranjan Ramchandani / WWF
Eine gute Kondition ist wichtig für den harten Alltag der Ranger © Ranjan Ramchandani / WWF

So sehr Han den Plan der Regierung unterstützt, so sehr erschwert er seine Arbeit. Schon jetzt versuchen beinahe täglich Wilderer Jagd auf die selten gewordenen Tiere zu machen. Es wird viel Arbeit auf die Ranger zukommen. Dabei ist schon jetzt normal, dass sie für höchstens fünf Tage im Monat bei ihrer Familie sein können.

Han Sakhan ist der stellvertretende Direktor des Phnom-Prich-Wildtier-Schutzgebiets, einem von zwei Reservaten in Kambodschas Mondulkiri-Provinz, an deren Schutz der WWF beteiligt ist. Hier, im Herzen der Eastern Plains, geraten er und seine Kollegen immer häufiger in die Schusslinie der Wilderer.

Der Arbeitsplatz der Ranger erstreckt sich alleine in diesem Schutzgebiet auf eine Fläche von 225.000 Hektar – etwas weniger als das Dreifache der Fläche Berlins. Die Zahl der bewaffneten Eindringlinge steigt beinahe täglich, sodass die Wildhüter einen Kampf in hoher Unterzahl führen. Sie sind dennoch bereit, diese Wälder mit aller Kraft zu verteidigen.

Ranger halten zusammen

Wenn sie draußen im Wald sind, erzählen sich die Ranger gegenseitig von ihren Frauen und Kindern, die daheim auf sie warten. Jede Geschichte ähnelt sich, so sind die Wildhüter zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen. Für Han sind sie Teil seiner Familie geworden, den anderen Teil, seine drei Söhne und seine Frau, sieht er nur, wenn er heimkehrt.

„Mein größter Wunsch ist einfach: Ich will meine beiden Jobs bestmöglich erfüllen, den als Vater und den als Ranger. Meine Frau unterstützt mich, soweit sie kann. Ich habe schon als Ranger gearbeitet, bevor wir uns kennengelernt hatten. So wusste sie, worauf sie sich eingelassen hat. Und doch wird es von Mal zu Mal härter, Frau und Kind zurück zu lassen.“, sagt Han.

Ein gefährlicher Beruf

Die Ranger werden vielseitig für ihren Einsatz gegen Wilderer geschult © Ranjan Ramchandani / WWF
Die Ranger werden vielseitig für ihren Einsatz gegen Wilderer geschult © Ranjan Ramchandani / WWF

Absurderweise muss Han viel länger auf seine Familie verzichten, wenn er Erfolg hat. Gelingt es ihm, einen Wilderer zu fassen, folgen verschiedene Prozeduren auf der Ranger-Station, die seine Anwesenheit erfordern. Wie soll Han da seinem Sohn erklären, dass er erfolgreich war, wenn der Erfolg gleichzeitig bedeutet, dass der Vater noch länger fehlt?

Erst recht kann er seinem Sohn nicht von den Gefahren erzählen, die im Wald warten. Die Malaria beispielsweise oder tödliche Giftschlangen. Er kann nur hoffen, dass ihm nichts passiert. Wie die meisten seiner Kollegen hat er keine Krankenversicherung, die alle potenziellen Gefahren abdeckt. Sollte er krank werden, müsste seine Familie dafür aufkommen. Sollte er sterben, stünden sie ganz allein da. So sind es die Familien, die am verwundbarsten sind.

Bewaffnete Wilderer sind am gefährlichsten

„Die größte Gefahr geht nicht von der Natur aus, sondern es sind die Wilderer und Holzfäller, die in uns zahlenmäßig überlegen sind“, sagt Han. Gerade entlang der Grenze zu Vietnam lauern viele bewaffnete Wilderer.

„Trotz allem kann ich meiner Familie versprechen, dass ich sie glücklich mache. Wenn es mir gelingt, die Wälder und die Tiere darin für die kommenden Generationen beschützen, dann ist das eine große Leistung für die nächste Generation und auch für Kambodscha.“

Wünsche eines Rangers

Für seinen jüngsten Sohn wünscht sich Han, dass er ihm helfen wird. Aber auf eine andere Art, eine weniger gefährliche. Er solle am besten studieren und Anwalt werden. „Es ist wichtig, dass uns hier in Kambodscha gute Anwälte dabei helfen, das Rechtssystem aufzubauen. Nur so können wir auf Dauer unsere Natur effektiv beschützen und mit rechtlichen Mitteln gegen die Wilderei vorgehen. Auf jeden Fall würde ich es mir sehr wünschen, wenn auch er auf seine Art und Weise dabei helfen würde, die Eastern Plains zu beschützen.“

  • Dawei Road © WWF - Myanmar / Hkun Lat Mekong-Region

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