Der beste Weg, um mehr über die Präsenz und Verbreitung von Orang-Utans zu erfahren, ist das Zählen ihrer Nester. Denn Orang-Utans bauen sich jede Nacht neue Nester hoch oben in den Baumkronen. Dafür ziehen sie große Äste zusammen, verbinden sie mit weichen Ästen und füllen das Nest mit kleinen Zweigen. Teilweise sind diese Nester so riesig wie ein kleines Bett. Bei feuchtem Wetter fügen die Menschenaffen ihnen manchmal sogar ein Blätterdach hinzu.
Nur etwa zehn Minuten braucht ein Orang-Utan, um sich ein riesiges Nest hoch oben in den Bäumen zu bauen. Doch die faszinierenden Tiere sind vom Aussterben bedroht. Eine aufwändige Zählung im Nordwesten Borneos soll nun zeigen, wie viele Borneo-Orang-Utans es hier noch gibt – und die weitere Zerstückelung ihres Lebensraums durch geplante Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen verhindern.

Tagelang kämpft sich ein etwa zwölfköpfiges Team aus Kolleg:innen des WWF Malaysia und lokalen Gemeindemitgliedern durch die dichte Vegetation und das oft schlammige Gelände der Urwälder in der Region Ulu Sungai Menyang im malaysischen Teil Borneos.
Sie durchqueren Wasserfälle, tiefe Flüsse und campen bis zu zwei Wochen am Stück im Regenwald. Sie suchen nach einer bestimmten Art von Orang-Utans: den Nordwestlichen Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus pygmaeus). Ihre Population ist verglichen mit den anderen beiden Unterarten der Borneo-Orang-Utans am kleinsten.
Wie zählt man eigentlich Orang-Utans?
Nester suchen im Feld
Die Nester der Orang-Utans zu finden und zu zählen ist eine beschwerliche Aufgabe, die schon bei der Anreise beginnt.
Von Kuching, der Hauptstadt des malaysischen Bundesstaates Sarawak geht es zunächst vier Stunden mit dem Auto Richtung Südosten. Es folgt eine mehrstündige Bootsfahrt über den Batang-Ai-Stausee und teilweise wilde Flüsse. Fußmärsche führen schließlich bis tief in die Ulu Sungai Menyang Landschaft hinein. Diese liegt an der Grenze zu Indonesien und bietet den Orang-Utans wichtige Rückzugsräume.
Gemeinsam mit den Menschen vor Ort

In Ulu Sungai Menyang leben in ihren typischen Langhäusern und mit einer tiefen Verbindung zum Wald und den Orang-Utans die indigenen Iban-Gemeinden. Ihre Kenntnisse der Wälder und Flüsse sind von unschätzbarem Wert.
Frauen und Männer aus den lokalen Gemeinschaften unterstützen deshalb unsere Bestandserhebung im Feld und spielen dabei eine wichtige Rolle. Ohne sie könnten wir die Orang-Utan-Zählung nicht umsetzen.
1,5 Jahre für die Bestandserhebung der Nordwestlichen Borneo-Orang-Utans
Seit Herbst 2024 arbeiten wir daran, die Population der Orang-Utans in Ulu Sungai Menyang genauer zu erfassen. Das Gebiet ist über 14.000 Hektar groß und bekannt für seine noch unberührten Wälder. Um es für die Bestandserhebung der Orang-Utans komplett abzudecken, wurden und werden nacheinander drei Zonen von unseren Teams durchkämmt.
„Die gefundenen Nester sind ein starkes Zeichen, dass die Orang-Utans das Gebiet aktiv nutzen.“
Elisabeth Flesch, Referentin für nachhaltige Landnutzung Asien beim WWF Deutschland

Im ersten Durchgang von August bis Oktober 2024 konnten wir im nördlichen und mittleren Teil von Ulu Sungai Menyang insgesamt 104 Nester dokumentieren.
Von April bis Juni 2025 haben die Teams im östlichen Teil noch einmal 155 Nester entdeckt.
Die dritte Zone im Westen soll ab September 2025 untersucht werden. Auch hier benötigen die Teams wieder Feldausrüstung wie Funkgeräte, Satellitentelefone und Erste-Hilfe-Sets. Denn Sicherheit in dem schwierigen Gelände hat oberste Priorität.
Die Orang-Utans brauchen Ulu Sungai Menyang
In allen Durchgängen der Bestandsaufnahme gehen die Monitoring-Teams mehrfach in die Wälder und suchen nach alten, mittelalten und neuen Nestern. Anhand einer mathematischen Formel können wir so die Zahl der Orang-Utans hochrechnen.
„Die bisher gefundenen Nester sind ein starkes Zeichen, dass die Orang-Utans das Gebiet aktiv nutzen“, betont Elisabeth Flesch, die beim WWF Deutschland das Projekt betreut. „Das unterstreicht die Bedeutung dieser Landschaft als Lebensraum für die Primaten und die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen!“
Argumente gegen geplante Infrastrukturmaßnahmen

Das Wissen über die Anzahl und Verbreitung der Orang-Utans hilft, die Auswirkungen geplanter Infrastrukturmaßnahmen – wie zum Beispiel den Bau einer Straße durch Ulu Sungai Menyang – zu verringern und Interessensträger und deren Entscheidungen zu beeinflussen.
„Je besser wir Populationsgröße und Verteilung, also auch die Lebensraum-Vorlieben der Menschenaffen verstehen, desto effektiver können wir außerdem Schutzmaßnahmen planen“, so Elisabeth Flesch vom WWF Deutschland. Regelmäßige Zählungen lassen zudem Schwankungen der Orang-Utan-Populationen rechtzeitig erkennen.
Durch den Schutz ihrer Lebensräume und durch nachhaltige Landnutzungsplanung können wir gemeinsam mit den engagierten WWF-Kolleg:innen sowie Gemeindemitgliedern der Iban vor Ort einen Beitrag dazu leisten und somit sicherstellen, dass die Orang-Utans eine Zukunft in ihren Heimatwäldern haben – und dass diese bemerkenswerten Tiere auch kommenden Generationen erhalten bleiben.
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Orang-Utans
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Indigene Iban: Hüter:innen des Waldes und der Orang-Utans