Der Waldrapp. Er ist einer der seltensten Vögel der Welt. Sein kahles Gesicht, der sichelförmige, rote Schnabel und die strubbeligen Nackenfedern bieten einen ungewöhnlichen Anblick. Als Delikatesse verspeist und daher stark bejagt, starb er bereits im 17. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa aus. Lediglich in Marokko, Spanien, Österreich und der Türkei gibt es noch Vorkommen des Ibis-Vogels.

Der Waldrapp soll nach Deutschland zurückkehren und wieder als echter Zugvogel angesiedelt werden. Der WWF unterstützt das ehrgeizige Wiederansiedlungsprojektgefördert durch das europäische LIFE Programm, und unter der Leitung des Tiergarten Schönbrunn, das in dieser Form weltweit einzigartig ist.

Die größte Herausforderung: Der Waldrapp hat das natürliche Zugverhalten verlernt und wird nun per Ultraleichtflugzeug in sein Überwinterungsgebiet geleitet.

Das Projekt Waldrappteam – Mission: Wiederansiedlung

Die Ziehmütter Anne und Corinna (rechts) für die Waldrappjungen © Waldrappteam / LIFE Northern Bald Ibis
Die Ziehmütter Anne und Corinna (rechts) für die Waldrappjungen © Waldrappteam / LIFE Northern Bald Ibis

Im Rahmen eines Europäischen LIFE-Projektes mit insgesamt zehn Partnern aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz werden Nachzuchten aus Zoohaltungen aufgezogen und über die Alpen in ihr italienisches Überwinterungsgebiet begleitet. Von dort starten sie spätestens nach Erreichen der geschlechtsreife selbstständig wieder zurück gen Norden. Dafür sind mittlerweile vier Brutkolonien in Burghausen (Bayern), Salzburg (Österreich) und Rosegg (Österreich) sowie in Überlingen (Baden-Württemberg) gegründet worden.

Ziel des Projekts ist es, eine selbstständig überlebensfähige europäische Waldrapp-Population zu schaffen, deren Tiere wieder so wie ihre Vorfahren ein Zugverhalten zeigen. Es ist der erste Versuch, eine hierzulande ausgestorbene Zugvogelart wiederanzusiedeln und eine neue Zugtradition zu gründen.

Mittlerweile gibt es wieder rund knapp 200 freilebende Waldrappe nördlich der Alpen. Für eine langfristig überlebensfähige Population sind laut Berechnungen rund 350 Tiere nötig.

Voller Einsatz für die Waldrappjungen

Der Weg dorthin verlangt jedoch vor allem für die menschlichen Ziehmütter und die Helfer:innen im Camp unermüdlichen Einsatz. Tag für Tag kümmern sie sich während der Aufzuchtszeit um die jungen Waldrappe. Diese sehnen sich nicht nur nach Nähe und Zuwendung, sondern vor allem nach regelmäßigen Fütterungen. Ihre Leibspeise? Leckere Mehlwürmer.

Dazwischen gibt es auch für die Waldrappjungen Schulpflicht. Für die mehrtägige Migration über die Alpen werden die Jungvögel spielerisch auf den großen Flug vorbereitet.

In einem projekteigenen Trainingscamp in Überlingen werden sie darauf trainiert, ihren in Fluggeräten sitzenden Zieheltern zu folgen. Sobald die Jungen groß genug sind, absolvieren sie alle paar Tage einige Flugstunden. Denn bis zum Antritt ihrer Reise müssen alle „Waldis“, wie sie liebevoll vom Projektteam genannt werden, gute Flieger sein.

Über die Alpen – Migration von Deutschland in die Toskana und wieder zurück

Flugstunden für die Waldrappjungen © Waldrappteam / LIFE Northern Bald Ibis
Flugstunden für die Waldrappjungen © Waldrappteam / LIFE Northern Bald Ibis

Im Herbst 2021 dauerte die Reise der Waldrappe in das Überwinterungsgebiet in der Toskana 14 Tage. Nach einer 770 Kilometer langen Flugstrecke, verteilt auf fünf Flugetappen, kamen alle im WWF-Schutzgebiet Oasi Laguna di Orbetello in der Toskana an. Begleitet wurden die jungen Waldrappe von erfahrenen Profi-Piloten und ihren Ziehmüttern in einem Ultraleichtflugzeug. Trotz schwierigen Wetterbedingungen war es eine der erfolgreichsten Migrationen, die komplett ohne Zwischenfälle verlief. In Italien angekommen trafen die „Waldis“ auf zahlreiche ihrer freilebenden Artgenossen. 

Auch die meisten der übrigen Vögel der Brutkolonien in Bayern, Baden-Württemberg und Österreich machten sich, wenn auch etwas später als sonst, im Oktober 2021, ebenfalls auf den Weg in ihre Überwinterungsgebiete im Süden. Grund für die spätere Herbstmigration waren vermutlich klimarelevante Parameter, die sich durch den Klimawandel verändern und einen Einfluss auf die Migration der Vögel haben.

Im Frühjahr 2022 sind 18 geschlechtsreife Waldrappe wieder in das Überlinger Brutgebiet zurückgekehrt. Am Standort in Burghausen sind Anfang Mai 2022 bereits die ersten Küken geschlüpft, und auch in Überlingen wurden die ersten Eier aufgefunden. Um die Jungvögel noch schneller an ihre natürlichen Nistplätze zu gewöhnen, werden einige Nester im Juni von der künstlichen Brutwand in eine natürliche Felsnische umgezogen.

Gefahren während der Migration

Da Waldrappe Zugvögel sind, werden sie immer wieder Gefahren während ihrer Wanderungen ausgesetzt sein. Auf ihrer Reise begegnen die Vögel etwa immer wieder ungesicherte Strommasten, von denen eine tödliche Gefahr ausgeht.

In Italien erwartet sie dann eine weitere Bedrohung: Die illegale Jagd stellt dort den Hauptbedrohungsfaktor für die Tiere dar. Immer wieder fallen einzelne Tiere der Straftat zum Opfer. Der WWF setzt sich weltweit gegen jede Art der Wilderei ein. Hohe Geldstrafen sollen auch in Italien Wilderer abschrecken und Abschüsse verhindern.

Unterstützt durch die Postcode Lotterie

Deutsche Postcode Lotterie

Der WWF setzt sich gemeinsam mit der Deutschen Postcode Lotterie kontinuierlich für das Waldrapp-Projekt ein. Gemeinsam konnten wir Personalkosten für die Ziehmütter und eine Camp-Assistenz, Futtermittelkosten und die Betriebskosten für das Fluggerät unterstützen. In der Vergangenheit konnten mit den Mitteln von WWF und Postcode Lotterie zudem GPS-Halsbänder, ein Projektfahrzeug gekauft, Trainingscamps in Überlingen realisiert und eine permanente Voliere für die erfolgreiche Aufzucht der Waldrappe am Bodensee errichtet werden.

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