Ein Amur-Tiger nähert sich auf schneebedeckter Straße einem Auto. Auch durch Hupen lässt er sich nicht verscheuchen. Immer näher kommt das noch junge Tier. Der Tiger sieht abgemagert aus, Folge der extremen Schneefälle im russischen Fernen Osten seit dem frühen Winter. Die Gefahr: Die Raubkatzen suchen aus Hunger menschliche Siedlungen auf – und werden dort womöglich erschossen.

Extremer Schnee im Russischen Fernen Osten

Amur-Tiger sind gut angepasst an extreme Kälte und schneereiche Winter. Doch besonders im Norden des Tiger-Verbreitungsgebietes in der Amur-Region übertraf die Niederschlagsmenge bereits zu Beginn des Winters 2021/2022 den durchschnittlichen Jahreswert um mehr als das Fünffache.

Höchstens noch etwa 600 Amur-Tiger gibt es überhaupt. Mindestens 100 von ihnen leben hier, wo das Land seitdem in außergewöhnlich hohem Tiefschnee versinkt.

Rehe, Rothirsche, Wildschweine: Sterben in der Schneehölle

Rehe stecken im Schnee fest © Tayozhnoye Hunting Club
Rehe stecken im Schnee fest © Tayozhnoye Hunting Club

Immer wieder beobachten Wildhüter:innen nun Rehe, Rothirsche und Wildschweine, die im tiefen Schnee stecken bleiben. Wildtiere erfrieren und verhungern. Futtersuche und Wanderungen werden durch die frühen Schneefälle und die daraus folgende katastrophale Situation erschwert sein bis fast in den April.

Und schon jetzt verbrauchen die Huftiere Fettreserven, die eigentlich bis Mai reichen sollten. Im betroffenen Gebiet am rechten Amur-Ufer ist mit einem Massensterben von zehntausenden Huftieren zu rechnen. Lebensbedrohend auch für den Amur-Tiger, denn dies sind seine Beutetiere.

Zunehmende Mensch-Wildtier-Konflikte

Hungernde Tiger sind nichts Neues in der Region. Sichtbar werden sie, wenn die verzweifelte Suche nach Nahrung die eigentlich scheuen Tiere in Richtung der Siedlungen treibt: Gefährlich für die Menschen, Nutztiere und die Tiger, denen aus Angst der Abschuss droht.

Zwei vom WWF unterstützte Anti-Konflikt-Teams, bestehend aus drei staatlich ausgebildeten Rangern und einem Tierarzt, kümmern sich um durchschnittlich 15 bis 20 solcher Fälle im Jahr. Doch seit Beginn des Katastrophenwinters übersteigt das Konfliktverhalten der Amur-Tiger das gewohnte Maß bei Weitem. Schon Ende 2021 waren es ganze 70 Konfliktfälle mit Tigern.

Schnelle Hilfe

Die unübersichtliche Situation begünstigt außerdem die Wilderei auf die Amur-Tiger und ihre Beutetiere. Wir müssen den Schutz der Amur-Tiger verstärken und die Huftiere vor dem Verhungern retten. Dazu richtet der WWF gemeinsam mit seinen Partnern Futterstellen im Wald ein und versorgt die hungernden Tiere mit Winterfutter wie Mais, Heu und Sojastroh. Damit die Huftiere zu den Futterplätzen gelangen, bahnen Mitarbeiter:innen Wildpfade mit Traktoren durch den Tiefschnee und räumen Schneemassen von Futterstellen.

Wildhüter versinkt im Schnee © Mikhail Moiseev
Wildhüter versinkt im Schnee © Mikhail Moiseev

Schaffen sie es, die Zahl der Huftiere zu halten und ihnen das Überwintern zu erleichtern, ist dies die beste Vorbeugung vor mehr drohenden Mensch-Tiger-Konflikten! Doch die Arbeit im Tigergebiet ist geprägt von abnorm hohen Schneedecken, eisiger Kälte, kurzen Tagen, Zeitdruck und momentan viel zu wenig Personal.

Der WWF Deutschland hat die russischen Kolleg:innen dabei unterstützt, Rehen, Rothirschen, Wildschweinen, Tigern und Menschen in diesem Ausnahmewinter zu helfen. Spenden wurden für mehr Futterstellen und Ranger:innen-Ausrüstung in der nördlichen Amur-Region eingesetzt.

Vielen Dank an alle Unterstützer:innen, die mit einer Spende großartige Hilfe geleistet haben.

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