Große Aktion in der Amur-Region: 80 junge Schwarzschnabelstörche wurden von Juni bis Mitte Juli mit Unterstützung des WWF Russland mit GPS-Sendern versehen. Das ausgehende Funksignal hilft nun, die Wanderrouten der seltenen Vögel in ihre Winterquartiere zu erforschen. Die Population in der Amur-Region ist ihr letzter großer verbliebener Bestand.

Die Besenderung und Überwachung der Schwarzschnabelstörche werden von russischen und chinesischen Wissenschaftlern gemeinsam mit mehreren Naturschutzorganisationen wie dem WWF Russland durchgeführt. „Die Arbeit hat sowohl wissenschaftlichen wie praktischen Nutzen“, sagt Anna Serdyuk, die auf russischer Seite die Einsätze koordiniert. „Durch unsere Überwachung haben wir wichtige Zwischenstationen und Sammelplätze der Vögel auf ihrer Wanderroute entdeckt. Inzwischen konnten wir bereits den Schutz dieser Feuchtgebiete in die Wege leiten.

Rucksack auf Zeit

besenderter Schwarzschnabelstorch © Evgeny Egidarev / WWF-Russia
besenderter Schwarzschnabelstorch © Evgeny Egidarev / WWF-Russia

Dieses Jahr haben Serdyuk und ihr Team insgesamt 80 Jungstörche im Tiefland von Arkhara, am Khanka-See, in der Zeya-Bureya-Ebene sowie im Bolonsky Naturreservat, mit Sendern versehen. Jedes Gerät, mit Solarbatterien ausgestattet, wiegt 50 Gramm – das entspricht etwa einem Prozent des Körpergewichts eines jungen Schwarzschnabelstorchs. Es wird so auf den Rücken des Vogels geschnallt, dass er problemlos weiter fliegen und wachsen kann. Der Transmitter kann bis zu fünf Jahre senden. Überdies ist das Gurtmaterial so beschaffen, dass es sich unter ultraviolettem Licht zersetzt. Das heißt, der Rucksack fällt irgendwann einfach vom Rücken des Storchs ab.

Mücken, Schlamm und spitze Schnäbel

Schwarzschnabelstorch beim Vermessen © Evgeny Egidarev / WWF-Russia
Schwarzschnabelstorch beim Vermessen © Evgeny Egidarev / WWF-Russia

Um den GPS-Transmitter an den Jungstörchen anzubringen, müssen die Wissenschaftler einiges auf sich nehmen. Schwarzschnabelstörche nisten in Mooren, im Marschland sowie an Seen und Flüssen. Und, anders als ihre europäischen Weißstorch-Verwandten, weit weg von menschlichen Siedlungen.

Anton Sasin von der regionalen NGO „Amur Social-Ecological Union“ berichtet, wie die Besendung meist abläuft: „Nachdem wir mit der Drohne ein Nest gefunden haben, lassen wir das Auto stehen und gehen zu Fuß weiter, meist knietief durch Sumpfland, bepackt mit Leiter, Rucksäcken und Ausrüstung. Dabei versuchen wir, möglichst die vielen Mücken von uns fern zu halten.

Sobald wir wissen, dass die Eltern unterwegs sind, um Nahrung für die Jungen zu besorgen, setzen wir die Leiter am Nistbaum an und klettern hoch. Wir nehmen die Jungvögel, welche die richtige Größe und Kondition haben, ganz vorsichtig aus dem Nest, legen sie in eine Babytrage und lassen sie herunter. Unten messen wir Körper, Flügel und Schnabel jedes Tieres, fixieren den Ring am Bein, befestigen den GPS-Sender auf dessen Rücken und bringen es anschließend ganz vorsichtig wieder zurück ins Nest.“

Nicht immer gelingt das ohne Blessuren bei den Kollegen, sagt Anton: „Keiner von uns kommt beim Einsatz ohne blauen Flecken davon. Denn die Jungvögel können mit ihren Schnäbeln ganz schön heftig austeilen.

Der Schwarzschnabelstorch sieht so aus wie der kräftige und etwas größere Bruder unseres Weißstorches – nur eben mit einem schwarzen Schnabel. Wie dieser ist auch der Schwarzschnabelstorch ein wichtiger Indikator für gesunde Süßwasser-Feuchtgebiete, in denen er vor allem Frösche, Fische und Insekten erbeuten kann.

Der Schwarzschnabelstorch

Die letzte große Population

Viele Jahre wurden entlang der Wanderrouten der Störche Feuchtgebiete für die Landwirtschaft trockengelegt und auf Äckern giftige Pflanzenschutzmittel ausgebracht. Wegen massiver Herbizideinsätze verschwand die Art bereits in den 1970er Jahren aus Japan und Korea.

Auch in der russisch-chinesischen Amur-Region schrumpfte der Storchenbestand: Im Jahr 1998 gab es dort nur noch 471 Brutpaare. Doch seitdem tat sich einiges: Im Jahr 2018 wurden in einem großen Zensus wieder 872 Brutpaare gezählt – das sind 85 Prozent mehr.

Mehr Nistbäume, mehr Schutzräume

Nistbaum des Schwarzschnabelstorches © Anna Serdyuk / WWF-Russia
Nistbaum des Schwarzschnabelstorches © Anna Serdyuk / WWF-Russia

Noch nicht genug, um den Bestand zu sichern, aber ein großer Silberstreif am Horizont. Viele Naturschützer haben dazu beigetragen, auch der WWF. Sie sorgen dafür, dass die Störche neben weitem und unverschmutztem Marsch- und Sumpfland auch ausreichend große Bäume oder Strommasten zum Nisten finden. So berät der WWF zum Beispiel Energieunternehmen wie sie an den Strommasten Schutzvorrichtungen installieren, damit die Tiere keinen Stromschlag erleiden. Künstliche Nistbäume wiederum wurden im Bolonsky-Naturreservat dort errichtet, wo es an natürlichen mangelt. Außerdem schützt der WWF Storchennester vor Bränden und tierischen Angreifern wie Schwarzbären.

Darüber hinaus wurde seit 1998 die Fläche der Schutzgebiete in der Amur-Region auf über 40.000 Quadratkilometer mehr als vervierfacht. Das entspricht einer Fläche der Niederlande. Auch das wirkt sich positiv aus.

Über 80 neue Nester

„In diesem Jahr wurden mehr als 80 neue Nester in der Amur-Region gefunden. Das ist fantastisch!“ sagt Anna Serdyuk. „Um die Art jedoch dauerhaft zu sichern, müssen wir vor allem die Bedingungen für erfolgreiches Brüten weiter verbessern und sicherstellen, dass die Tiere genügend Nahrung finden“, sagt die Storchenexpertin.

Im Spätsommer, wenn die Jungtiere stark genug sind, werden sie in ihre Überwinterungsgebiete im Jangtsekiang-Delta und am Poyang-See in China fliegen. Von dort könnten sie im kommenden Jahr neue Reviere in China und Russland erkunden.

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