Sie passt auf einen Daumen, wiegt grade so viel wie eine Hummel und darf sich stolz das kleinste Säugetier der Welt nennen. Die Schweinsnasenfledermaus lebt in Kalksteinhöhlen in der riesigen Waldlandschaft Dawna Tenasserim wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Sie ist dort nur eine von vielen endemischen Arten, also Arten, die nur in einem ganz bestimmten Gebiet vorkommen und nirgendwo sonst.

Auch die Hirschart Tenasserim-Muntjak, und die hübsche Goldkehlpitta, die zu den bedrohtesten Vögeln der Welt gehört, leben als einzige Vertreter ihrer Art in der Dawna Tenasserim Landschaft. Die Region im südlichen Grenzgebiet von Myanmar und Thailand erstreckt sich über fast 179.000 Quadratkilometer und ist damit halb so groß wie Deutschland. 82 Prozent der Fläche sind bewaldet! Eine der Besonderheiten der Dawna Tenasserim ist, dass hier vier verschiedene biogeographische Zonen aufeinander treffen: Indisch-burmesisch, indisch-chinesisch, sundaisch und chinesisch-himalayisch.

Viele der hier vorkommenden Arten sind selten, vom Aussterben bedroht oder endemisch. Die Ökoregion stellt eine Übergangszone von den subtropischen, immergrünen Laubwäldern im Norden zu den südlichen, trockenen Laubwäldern dar. Sie enthält das umfassendste Schutzgebietsnetz Südostasiens, darunter Thailands äußerst vielfältigen Western Forest Complex (WEFCOM) mit einer Fläche von mehr als 18.000 Quadratkilometern, was fast der Fläche Sachsens entspricht.

Ein Wald für Tiger, Elefant und Co.

Asiatische Elefanten © Gordon Congdon
Asiatische Elefanten © Gordon Congdon

Zusammen bedecken bestehende und vorgeschlagene Schutzgebiete in Thailand und Myanmar 36 Prozent der Landschaft.

Die Dawna Tenasserim Landschaft ist eine Schatzkammer der Artenvielfalt. Sie beherbergt weltweit wichtige und gefährdete Arten wie den Indochinesischen Tiger, den Asiatischen Elefanten, die Wildrindarten Gaur und Banteng, Nebelparder, den malaysischen Tapir, den Wildhund und das Siamesische Krokodil. Da die Dawna Tenasserim Landschaft insbesondere in Myanmar noch weitestgehend wissenschaftlich unerforscht ist, sind in der Zukunft noch mehr spannende Entdeckungen zu erwarten.

Das Ökosystem als Dienstleister

Die intakten Ökosysteme der Dawna Tenasserim Landschaft erfüllen eine Vielzahl von für den Menschen bedeutsamen Aufgaben. Sie versorgen die Gemeinden in den Bergen wie im Flachland mit Wasser, sie liefern Waldprodukte, mit denen lokale Gemeinden ihren Lebensunterhalt sichern, zahlreiche Insekten bestäuben die Kulturpflanzen, das Wurzelwerk der Bäume hemmt Überschwemmungen und Erdrutsche und mindert die Folgen des Klimawandels.

Konflikte, Vertreibung und der Glaube an die Beseeltheit der Natur

Dawna Tenasserim © Gordon Congdon
Dawna Tenasserim © Gordon Congdon

Für die indigenen Völker in den Gemeinden haben die ausgedehnten Wälder auch einen spirituellen Wert. Die größte ethnische Gruppe bilden die Karen. Die meisten Karen sind Buddhisten, obwohl viele während der britischen Herrschaft zum Christentum missioniert wurden. Teilweise sind aber der Glaube an die Beseeltheit der Natur und auch Geisterglaube und Ahnenkult noch Teil der religiösen Praktiken. Die Karen-Gruppen, mit denen der WWF in der Dawna Tenasserim Landschaft zusammenarbeitet, setzen sich engagiert für den Umweltschutz in ihrer Heimat ein.

Die Geschichte der Karen im letzten Jahrhundert war stark von gewaltsamen Konflikten, Flucht und Vertreibung geprägt – auch auf der thailändischen Seite. Versöhnung und Umsiedlung innerhalb ihres Heimatlandes sind deshalb zentrale Themen.

Neun-Punkte-Plan für die Dawna Tenasserim Landschaft

Auch die Dawna Tenasserim Landschaft ist von Entwaldung, Wilderei und nicht-nachhaltiger Infrastrukturentwicklung bedroht. Der WWF arbeitet daran, dieses unschätzbare Ökosystem durch Partnerschaften mit lokalen Regierungen, Unternehmen, Gemeinden und Organisationen der Zivilgesellschaft zu erhalten. Damit die in der Dawna Tenasserim Landschaft lebenden Menschen, aber auch die winzige Schweinsnasenfledermaus und die großen Asiatischen Elefanten in Zukunft einen intakten Lebensraum haben.

Dabei baut der WWF auf unterschiedlichen Säulen auf:

  1. Strategische Landschaftsplanung, um die Anforderungen einer wachsenden Wirtschaft mit den Bedürfnissen der einheimischen Tierwelt und der Bevölkerung in Einklang zu bringen.
  2. Gemeindebasiertes Management natürlicher Ressourcen, damit die dort lebenden indigenen Gemeinden durch die Einrichtung von Gemeindewald und Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wieder an Einfluss und Verantwortung gewinnen. Und um ein besseres Verständnis für die Rolle der indigenen Völker und der lokalen Gemeinden bei der Verwaltung und Bewirtschaftung der Wälder Myanmars zu fördern.
  3. Entwaldungsfreie Lieferketten für Kautschuk, um das Potenzial dieses Rohstoffes zu nutzen und gleichzeitig Entwaldung und Waldschäden zu vermeiden.
  4. Reduzierung von Wilderei und Wildartenhandel, damit ElefantenTiger und Co. auch weiterhin in der Dawna Tenasserim Landschaft ihre Heimat haben.
  5. Biodiversitätsforschung, z. B. durch Kamerafallen und GPS-Halsbänder, um uns durch mehr Wissen besser für die Tiere und ihren Lebensraum einsetzen zu können.
  6. Netzunabhängige Entwicklung von erneuerbaren Energien, um durch Wind- und Solaranlagen saubere Energien zu fördern, für die keine Installation von Stromnetzen erforderlich ist, die die Lebensräume der Wildtiere stören.
  7. Schutzgebietsmanagement, um die Regierungen beim effektiven Management dieser wichtigen Gebiete zu unterstützen.
  8. Green Economy und Politikarbeit, damit Regierungen und Industrie die Notwendigkeit erkennen, die natürlichen Ressourcen zum Wohle der Natur und des Menschen zu schützen und gleichzeitig die notwendige wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen.
  9. Wasserkraftfreie Flüsse, um die gesunde Ökologie der Flüsse für das gesamte Ökosystem zu erhalten.
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