Die großen Wälder Baden-Württembergs sind ideale Lebensräume für Luchse. Nachdem vor rund 200 Jahren das letzte Tier erlegt worden war, galten Luchse dort als ausgestorben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wanderten jedoch immer wieder männliche Tiere aus der Schweiz ein. Für eine stabile Luchspopulation im Land reicht das aber noch nicht. Vor allem die Weibchen fehlen.

Seit dem Frühjahr 2023 arbeiten die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), der Landesjagdverband BW, der WWF, der Zoo Karlsruhe und die AG Luchs und Wolf daran, die Rückkehr der Luchse aktiv zu unterstützen. Ziel ist es, die seltene Katzenart wieder dauerhaft heimisch zu machen.

Das auf vier Jahre angelegte Projekt möchte den Grundstein setzen für eine gesunde, stabile, eigenständig überlebensfähige Luchspopulation im Schwarzwald. Perspektivisch soll sich diese mit benachbarten Vorkommen im Schweizer Jura, in den Vogesen und im Pfälzerwald zu einer grenzüberschreitenden Meta-Population verbinden. Bis Ende 2027 werden im Rahmen des Projekts „Luchs Baden-Württemberg“ rund zehn Luchse, vor allem weibliche Tiere, ausgewildert werden, um den Bestand gezielt zu stärken.

Das Projekt „Luchs Baden-Württemberg“

Luchs im Wald © Julius Kramer
Luchs im Wald © Julius Kramer

Ausgewildert werden ein- bis zweijährige Luchse, die in speziellen Gehegen geboren und aufgewachsen sind. Im Oktober 2024 startete im Oberwald in Karlsruhe der Bau eines 5.000 Quadratmeter großen Auswilderungsgeheges und im April 2025 zog dort auch bereits der erste Luchs ein. Neben Hütscheroda in Thüringen ist es damit das erst zweite Auswilderungsgehege für Luchse deutschlandweit.

Bevor ein Tier ausgewildert wird, erfolgt eine sorgfältige Prüfung: Ist es gesund? Zeigt es ein natürliches, scheues Verhalten? Ist es geeignet für ein Leben in der Wildbahn? Erfahrungen aus früheren Projekten zeigen, dass sich Luchse aus Gehege-Nachzuchten in der Regel sehr gut in der freien Wildbahn zurechtfinden und kein anderes Verhalten zeigen als Luchse, die in freier Wildbahn geboren wurden.

Der Vorteil gegenüber Wildfängen: Die Populationen werden nicht belastet, da keine Tiere entnommen werden müssen. Außerdem können Tiere ausgewählt werden, die genetisch besonders wertvoll für die neue Population sind. Willkommen, Kuder Martin!

„Mit dem Projekt kommen wir dem Ziel von europaweit vernetzten Luchsvorkommen einen guten Schritt näher. Denn für das langfristige Überleben der Art ist die Vernetzung der einzelnen Luchsvorkommen untereinander enorm wichtig. Mit einem zukünftig stabilen Bestand in Baden-Württemberg wird eine wichtige Lücke geschlossen.“

Sybille Klenzendorf, Artenschutzexpertin beim WWF Deutschland

Willkommen, Kuder Martin: Geboren in Nürnberg, lebt jetzt im Schwarzwald

Am 25. Juli 2025 war es dann mal wieder so weit: Der im Zoo Nürnberg geborene Luchs Martin wurde in seinem neuen Lebensraum im Nordschwarzwald freigelassen. Ursprünglich war geplant, gleichzeitig eine Luchsin auszuwildern – sie muss allerdings wegen einer leichten Verletzung aus Vorsichtsgründen noch einige Wochen warten.

Beide lebten in dem neu bestehenden Koordinationsgehege im Tierpark Oberwald des Zoos Karlsruhe auf das neue Leben in der Wildnis vorbereitet. Das Koordinationsgehege wurde durch WWF und dem Zoo Karlsruhe finanziert.

Mit der Auswilderung steigt die Zahl auf neun Luchse, die derzeit im Schwarzwald nachgewiesen sind.

Freiheit und Tragik: Bereits ausgewilderte Luchse im Schwarzwald

Im Dezember 2023 wurde mit Finja das erste Luchsweibchen in Baden-Württemberg ausgewildert. Das Luchsweibchen stammte aus einem Wildgehege in Thüringen und wurde in Rheinland-Pfalz fern von menschlichen Einflüssen auf die Freilassung im Nordschwarzwald vorbereitet. Auch genetische und verhaltens-ökologische Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass Finja alle Voraussetzungen für die Auswilderung im Schwarzwald erfüllt. Im Juli 2024 kam es dennoch zu einem sehr traurigen Ereignis. Finja wurde in einem sehr schlechten Zustand aufgefunden und musste tragischerweise eingeschläfert werden. Nach intensiver veterinärpathologischer Untersuchung konnte auch die Todesursache geklärt werden. Das Luchsweibchen war mit der Infektionskrankheit Staupe infiziert. Staupe ist eine hochansteckende Viruserkrankung, die bei Füchsen und Mardern vergleichsweise häufig auftritt. Bei Katzen hingegen nur sehr selten.

Luchs Reinhold © Zoo Karlsruhe / T. Deible
Luchs Reinhold © Zoo Karlsruhe / T. Deible

Ein Jahr später, im Dezember 2024, folgte die Auswilderung des Luchsmännchens Reinhold, dem Bruder von Finja. Auch er stammt aus dem Wildkatzendorf Hütscheroda in Thüringen. Bereits im November 2024 wurde auch wieder ein Luchsweibchen im Nordschwarzwald ausgewildert. Das Weibchen trägt den Namen Verena, ist eineinhalb Jahre alt und hat bereits erfolgreich Rehe gejagt und gerissen.

Neben Verena und Reinhold, lebt im Nordschwarzwald der Luchskuder Toni, der 2019 aus dem Schweizer Jura zugewandert ist. Im Südschwarzwald lebt zudem noch Wilhelm, ein weiteres Luchsmännchen.

Wissen über den heimlichen Waldbewohner

Luchs-Info-Point in Baden-Württemberg © Moritz Klose / WWF
Luchs-Info-Point in Baden-Württemberg © Moritz Klose / WWF

Durch das lange Verschwinden des Luchses aus Baden-Württemberg sind viel Wissen über den Luchs und Erfahrungen über das Zusammenleben verloren gegangen. Deshalb ist es wichtig, mit der Rückkehr der Pinselohren auch das Wissen über den heimlichen Waldbewohner wieder zu verbreiten. Aus diesem Grund gibt es in Baden-Württemberg so genannte Luchs-Info-Points. Das sind Orte, an denen sich die Öffentlichkeit über die Luchsvorkommen im Land informieren kann.

Eine ganz besondere Einrichtung für Kinder, Erwachsene, Wanderer:innen und interessierte Jäger:innen ist der im Juli 2017 eröffnete Luchs-Info-Point im Naturpark Obere Donau. Gemeinsam mit der Gemeinde Leibertingen, dem Naturpark Obere Donau und mit Unterstützung des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg hat der WWF hier eine Anlaufstelle für umfassende und aktuelle Informationen zum Luchs geschaffen. Der Standort in unmittelbarer Nähe der historischen Burg und Jugendherberge „Burg Wildenstein“ ist so gewählt, dass der Info-Point Wandernde und Besucher:innen der Jugendherberge gleichermaßen anspricht und im Rahmen der Bildungsarbeit des Naturparks Obere Donau genutzt wird.

Auch im Schwarzwald soll im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts „Luchs Baden-Württemberg“ ein Luchs-Info-Point entstehen.

Akzeptanz ist das A und O

Die Jägerschaft spielt eine wichtige Rolle beim Schutz des Luchses, aber auch beim Monitoring und der Erforschung des Luchses. Aus diesem Grund richtet sich das Projekt in speziellen Schulungen auch an Jäger:innen aus den Kernlebensräumen des Luchses. Ziel ist es, die Akzeptanz zu fördern und den Wissenstransfer zu stärken. Begleitende Telemetrieprojekte in enger Abstimmung mit Jäger:innen und ein genetisches Monitoring sind ebenfalls Teil des Projektes und dienen dazu, den Projektfortschritt zu dokumentieren und die Entwicklung der Luchspopulation zu überwachen.

Lebensräume vernetzen

Durch die zunehmende Zerschneidung ehemals großer Waldgebiete und ihrer Verbindungselemente, den so genannten Wildtierkorridoren, gewinnen in Mitteleuropa intakte Wanderkorridore für unsere wandernden Wildtierarten wie Wolf, Wildkatze, Luchs, aber auch Rothirsch und Gams immer mehr an Bedeutung. Um diese Korridore langfristig schützen zu können, muss man zunächst wissen, welche Wege von den Wildtieren tatsächlich genutzt werden. Auch dazu soll das Projekt beitragen.

Mit all diesen Maßnahmen will der WWF dabei helfen, dass der Luchs in Baden-Württemberg wieder eine dauerhafte Heimat findet.

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