Tiger sind ein Hoffnungssymbol des Artenschutzes: Nachdem ihre Bestände dramatisch eingebrochen waren, steigt die Zahl freilebender Tiger seit einigen Jahren wieder. Doch die Großkatzen besiedeln nur noch acht Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes. In einigen Nationalparks ist der Platz bereits ausgereizt, während andere noch Raum bieten. In Indien werden Tiger deshalb aufwendig umgesiedelt.
Als sich die Tür des Transportkäfigs öffnet, hält den jungen Tiger nichts mehr. Kein Zögern, kein Schnuppern – nur ein kurzes Brüllen und ein schneller Sprung in die neue Freiheit. Oder besser: in eine Vorstufe davon. Denn bevor das fünfjährige Tigermännchen ganz in die Wildnis entlassen werden kann, muss sich die Großkatze in einem weitläufigen, umzäunten Auswilderungsgehege an die neue Umgebung gewöhnen. Nach einem anderen Männchen und drei Weibchen ist dies der fünfte Tiger, der seit 2020 in der Region umgesiedelt wurde. Fünf weitere sollen nun folgen.
Die Tiger stammen aus dem Corbett Nationalpark
Der Corbett-Nationalpark liegt im Norden Indiens am Fuße des Himalajas in der ökologisch hochbedeutenden Terai Arc Landschaft. Rund 260 Tiger leben hier und machen den Park zum Ort mit der höchsten Tigerdichte weltweit. Gleichzeitig ist die Region stark besiedelt. Straßen und Schienen um den Nationalpark beschränken und zerschneiden die Tigerlebensräume.
Woanders dagegen fehlt es an Tigern: „Nur etwa 170 Kilometer nordwestlich gibt es tiefe Wälder, ausreichend Beutetiere und Wasserquellen“, erzählt Katjuscha Dörfel, Asien-Referentin beim WWF Deutschland. „Das Gebiet hat großes Potential, aber daran gemessen leben hier sehr wenige Tiger.“ Die Rede ist von einem weiteren Schutzgebiet, dem Rajaji-Nationalpark, der eine wichtige Rolle für die wachsenden Tigerpopulationen Indiens spielt. Doch bis zur Umsiedelung lebten in den westlichen Wäldern des Nationalparks lediglich zwei Tigerinnen, die keinen Nachwuchs bekamen.
Erste Erfolge
Inzwischen gibt es Tigernachwuchs im Westteil des Rajaji-Nationalparks! Denn die beiden umgesiedelten Tigerinnen haben bereits insgesamt fünf Junge bekommen. Das zeigen Kamerafallenfotos. Der Erfolg des Projektes wird eng überwacht und alle umgesiedelten Tiger werden mit Satellitenhalsbändern besendert. Zusätzlich kümmern sich Teams im Gelände um die Überwachung und den Schutz der Tiger.
Durchgeführt wird das hoffnungsvolle Projekt der Tiger-Umsiedelung von der Forstbehörde des indischen Bundesstaates Uttarakhand, in welchem die Schutzgebiete liegen. Der WWF stellt die technische Unterstützung und betreut das Monitoring der umgesiedelten Tiere. Während des Transfers der einzelnen Tiger sorgt ein Team aus gut ausgebildeten und eigens dafür trainierten Fachleuten für einen sicheren und möglichst stressarmen Ablauf für die Tiere.
Hoffnung für die Tiger
2009 war die Anzahl der freilebenden Tiger mit geschätzt nur noch 3.200 Exemplaren insgesamt auf einem absoluten Tiefpunkt. Heute breiten Tiger sich langsam wieder in Regionen aus, aus denen sie längst verschwunden waren. Doch trotz internationaler Bemühungen bleibt ihr Lebensraum stark bedroht.
„Dass unsere jahrelangen Anstrengungen zur Ausweitung des Lebensraums der Tiger hier erste Erfolge zeigen, erfüllt uns mit riesiger Freude und Zuversicht für die Zukunft."
Katjuscha Dörfel, Asien-Referentin beim WWF Deutschland
„Wilde Tiger sind anspruchsvolle Spitzenprädatoren, die auf großräumige und intakte Landschaften mit ausreichend Beutetieren angewiesen sind“, so Katjuscha Dörfel vom WWF Deutschland. „Daher bedeutet Tigerschutz auch den Schutz von großen Lebensräumen.“ Der WWF schafft und erhält wichtige Wanderkorridore und Wälder, unterstützt Schutzgebiete, bekämpft die Wilderei und arbeitet eng mit den Gemeinden im Umfeld wilder Tiger zusammen, um Konflikte zu verhindern.
Die große Bedeutung der Tiger-Umsiedelungen von Rajaji
Einen Dämpfer mussten die Tigerschützer:innen im Rajaji-Nationalpark hinnehmen, als zwei der fünf neuen Jungtiere durch einen Leoparden getötet wurden. Dennoch ist die Umsiedelung der Tiger ein bedeutender Schritt für den Schutz der ganzen Art:
Tiger sollen durch natürliche Ausbreitung und Wiederansiedlung erfolgreich in geeignete Gebiete ihrer historischen Verbreitung zurückkehren können. Nur so haben sie bei zunehmender Anzahl eine Chance, uns auf diesem Planeten erhalten zu bleiben. Bei aller menschlichen Besiedelung gibt es diese Lebensräume, in die Tiger sich wieder ausbreiten können: Über 1,2 Millionen Quadratkilometer geeigneter Flächen in mindestens 14 Ländern konnte der WWF identifizieren, die derzeit nicht von Tigern bewohnt sind, aber es wieder werden können.
Die neuen Tiger im Rajaji-Nationalpark sollen nicht nur die Zukunft der Großkatzen im Schutzgebiet selbst sichern. Im Laufe der Zeit werden die Tiger hoffentlich auch die vernetzten Waldflächen darum herum zurückerobern.
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