Mindestens 14 Tiger durchwanderten den Someshwor-Korridor in nur einem Monat. Das ist das Ergebnis eines Monitorings im Herbst 2023. Acht weibliche und sechs männliche Tiger sind auf Bildern von insgesamt 62 Kamerafallen zu sehen, die Ranger:innen in regelmäßigen Abständen in der bergigen Waldregion installiert haben. Im Jahr davor konnten hier nur insgesamt acht Tiger beobachtet werden, 2018 sogar lediglich drei. Die neuen Bilder zeigen: Der Korridor wird von den Tigern und anderen Wildtieren wie Leoparden, Streifenhyänen und Schuppentieren immer besser angenommen und vergrößert den Lebensraum der bedrohten Arten.
Im Grenzgebiet von Nepal und Indien wandern Tiger und andere Arten zwischen drei wichtigen Schutzgebieten durch das Someshwor-Gebirge. Der WWF schützt die Region als Korridor, um die Populationen miteinander zu verbinden. Mit Erfolg, wie aktuelle Kamerafallen-Bilder zeigen.
Erfolg: Der Wildtier-Korridor funktioniert
Höchste Tigerdichte der Welt
Die Someshwor-Hügelkette zieht sich auf insgesamt 248 Quadratkilometern durch den Süden Nepals bis nach Indien. Die Berge sind geprägt von lichten Laubwäldern und durchzogen von felsigen Schluchten und Bächen. Sie gehören zur Terai Arc Landschaft (TAL), einer der wichtigsten Tigerlandschaften der Welt am Fuße des Himalajas. Nirgendwo leben mehr Tiger als hier und auch die Vorkommen anderer großer Säugetierarten wie Nashörner oder Elefanten geben der Region große Bedeutung für den Artenschutz.
Schutzgebiete dürfen keine Inseln bleiben
Im Westen des Someshwor-Gebirges liegt auf indischer Seite das Valmiki-Tigerreservat. Im Norden und im Osten der Gebirgskette in Nepal bieten die Nationalparks Chitwan und Parsa den Großkatzen ebenfalls geschützte Lebensräume. Doch Schutzgebiete allein sind auf Dauer zu klein, um das Überleben der Tiger auf unserer Erde langfristig zu sichern. Die verschiedenen Populationen müssen sich ausbreiten, um eigene Territorien finden, sich paaren und gesunde Nachkommen zeugen zu können. Durch Wildtier-Korridore kann die genetische Vielfalt und die Populationsgröße erhöht werden. Das ist das Ziel des WWF für die gesamte Terai Arc Landschaft und alle Tigerlebensräume.
Chitwan-Parsa-Valmiki-Komplex
Die Schutzgebiete in der WWF-Projektregion bieten verschiedene, atemberaubende Landschaften und Rückzugs- und Lebensräume nicht nur für Tiger, sondern für viele weitere Arten.
Heimat für schätzungsweise 54 Tiger, aber auch Nashörner, Elefanten, Leoparden und viele weitere Arten. Knapp 900 Quadratkilometer groß und geprägt von ausgedehnten, dichten Wäldern genauso wie von lichteren Waldflächen, Flüssen, Hügeln, Bächen, Tälern, Schluchten und Sümpfen. Ein Teil des Schutzgebietes liegt im Nationalpark Valmiki. Doch die Fläche des Tigerreservates geht weit darüber hinaus.
Chitwan-Nationalpark (Nepal)Knapp 200 Kilometer von Kathmandu entfernt und mit schätzungsweise 128 Tigern von besonderer Bedeutung für den Erhalt der Art. Gegründet 1973 und seit 1984 Weltnaturerbe. Über 950 Quadratkilometer groß und geprägt von breiten Flusssystemen, Flusswäldern, subtropischen Laubwäldern und Grasland, darunter einige der höchsten Gräser der Welt wie das Elefantengras. Heimat für insgesamt 68 Säugetierarten, unzählige Schmetterlinge, Insekten, Schlangen, 544 Vogel- und 126 Fischarten. Über 500 Panzernashörner leben hier, außerdem Leoparden, Schuppentiere, Bengalfüchse, Honigdachse, Schakale und Elefanten.
Parsa-Nationalpark (Nepal)Heimat für gut 40 Tiger. Knapp 630 Quadratkilometer groß, erstreckt sich der Park bis in Höhenlagen von fast 1000 Metern. Geprägt von tropischen und subtropischen Wäldern, Flüssen, Seen und Hügeln. Elefanten, Hyänen, Büffel, Hirsche, verschiedene Affen und weitere Arten besiedeln abgesehen von den Tigern den Park.
Korridore sichern das Fortbestehen der Tiger
Mit der fortschreitenden Umwandlung natürlicher Lebensräume für die Nutzung durch den Menschen werden Schutzgebiete mehr und mehr zu voneinander abgeschotteten Inseln. Der Lebensraum von Tigern und anderen Wildtieren wird zersplittert und die Populationen isoliert, was dazu führen kann, dass die Tiger lokal vom Aussterben bedroht sind. Geschützte Wanderkorridore können und müssen diese Lebensraumflecken wieder miteinander verbinden. Der grenzüberschreitende Someshwor-Hügelkorridor liegt nicht nur strategisch günstig, sondern bietet auch landschaftlich potenziellen Lebensraum für Tiger und weitere stark gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Bisher war jedoch zu wenig erforscht, wie gut der Korridor funktioniert – und sich daraus ergebend, welche Schutzstrategien in Zukunft notwendig sind.
Hier leben auch Menschen
Die Terai Arc Landschaft besticht nicht nur durch ihren Artenreichtum, sondern ist gleichzeitig geprägt von einer wachsenden Bevölkerung und damit einhergehender Infrastrukturentwicklung und Entwaldung. Zusammenstöße und Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren sind die Folge, auch in bergigen Regionen wie dem Someshwor-Korridor. Die Menschen sehen nicht nur ihr Leben bedroht, sondern ebenfalls das ihres Nutzviehs. Aus Angst und Rache werden die Tiger manchmal bejagt.
Mensch-Tiger-Konflikte verhindern
Der WWF begegnet Mensch-Wildtier-Konflikten in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung und unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Tiger-Eingreiftruppen sind im Notfall schnell zur Stelle. Verschiedene Projekte fördern schnelle Kompensationszahlungen nach Verlusten und nachhaltige, alternative Einkommensquellen, um die Natur zu schonen und Akzeptanz für den Tigerschutz zu schaffen. In immer mehr Dörfern halten außerdem solarbetriebene Straßenlaternen die Tiger nachts fern und durch wildtiersichere Stallungen wird das Vieh geschützt. Die Ergebnisse der aktuellen Tiger-Zählung im grenzübergreifenden Someshwor-Korridor zwischen Indien und Nepal sind ein großer Erfolg, zurückzuführen auf eine langfristige, stete Schutzarbeit und die intensive Beteiligung der lokalen Gemeinden.
Das aufwendige Monitoring im Someshwor-Korridor war Teil eines Projekts des WWF, das unterstützt wird durch das Integrated Tiger Habitat Conservation Programme (ITHCP -Integrated Tiger Habitat Conservation Programme - IUCN SOS ) der Weltnaturschutzunion IUCN, finanziert durch die Deutsche Zusammenarbeit via KfW Entwicklungsbank. Der Inhalt des Artikels liegt in der alleinigen Verantwortung des WWF und reflektiert nicht unbedingt die Sicht der IUCN, der Deutschen Zusammenarbeit oder der KfW.
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