Die Nordsee und das Wattenmeer beherbergen auch unter Wasser eine reiche Natur. Bunt und vielfältig, anders als man es vielleicht beim ersten Anblick des oft trüben Wassers an der Nordseeküste erwarten würde.

Am bekanntesten sind sicherlich die Nordseegarnele („Krabbe“) und die Scholle sowie die hier heimischen Meeressäugetiere. Andere Arten wie die Europäische Auster, Sandkorallen, Nagelrochen und Europäischer Stör sind in historischer Zeit typische Bewohner oder Saisongäste im Wattenmeer gewesen – ihre Rückkehr ins Wattenmeer wäre ein großer Erfolg der Schutzbemühungen.

Nordseegarnelen

Welche Bedeutung haben Nordseegarnelen für das Ökosystem Wattenmeer?

Nordseegarnele und Einsiedlerkrebs © Freya Duncker
Nordseegarnele und Einsiedlerkrebs © Freya Duncker

Die Nordseegarnele ist für viele Arten des Wattenmeeres eine wichtige Beute, in allen Größen und Entwicklungsstadien. Strandkrabben und Schwimmkrabben fangen Nordseegarnelen, vor allem die kleineren Exemplare auf den Wattflächen. Viele Fischarten, darunter Plattfische wie die Scholle, Grundeln, Steinpicker und Seeskorpion ernähren sich von Garnelen. Für Wittlinge stellen Nordseegarnelen die Hauptbeute dar. In Jahren, in denen diese Fischart in besonders großer Anzahl im Wattenmeer und der angrenzenden Nordsee auftritt, werden besonders viele Nordseegarnelen gefressen. Für unerfahrene junge Robben, die das Fischen erst lernen, sind Garnelen eine leichte Beute. Seevögel, die im Flachwasser und in den Pfützen auf den Wattflächen nach Nahrung suchen, beispielsweise Möwen, Grünschenkel, Großer Brachvogel und auch die kleinen Sanderlinge, finden hier Garnelen als Beute. Und wagt sich eine Nordseegarnele im Priel zu dicht an die Wasseroberfläche, kann sie auch von einer schnellen Seeschwalbe erbeutet und an ihre Küken verfüttert werden. Die Nordseegarnele hat aufgrund ihrer gleichzeitigen Funktion als Räuber und Beute und aufgrund ihrer großen Zahl eine wichtige Stellung im Nahrungsnetz des Wattenmeeres. Sie besitzt so eine Schlüsselfunktion für das gesamte Ökosystem.

Europäische Austern

Ihre Bedeutung für die biologische Vielfalt im Meer

Europäische Auster © Hans-Ulrich Roesner / WWF
Europäische Auster © Hans-Ulrich Roesner / WWF

Die Europäische Auster gehört zwar nicht zu den „Perl“-Austern, aber sie ist besonders wertvoll – für die biologische Vielfalt im Meer. Denn an den Austernbänken oder Austernriffen halten sich besonders viele andere Arten auf: hier wachsen festsitzende Arten wie zum Beispiel Tote Mannshand, Seenelken, Seescheiden, Schwämme oder Blättermoostierchen. Viele Krebsarten, beispielsweise Porzellankrebs, Schwimmkrabbe oder Taschenkrebs finden Nahrung und Versteck, ebenso wie marine Schneckenarten. Für zahlreiche Fischarten dienen Austernbänke als Laichgrund, Kinderstube, Nahrungs- und Rückzugsgebiet. Das Austernriff ist also ein „Hotspot“ der biologischen Vielfalt.

Sandkorallen

Ihr Verbreitungsgebiet und Lebensraum im Wattenmeer

Angespültes Stück aus einem Sandkorallenriff © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Angespültes Stück aus einem Sandkorallenriff © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Sandkorallen wie Sabellaria spinulosa kommen prinzipiell an allen europäischen Küsten außer in Ostsee, Kattegat und Skagerrak vor. Sabellaria-Riffe und Sabellaria-Krusten finden sich insbesondere um die Britischen Inseln (OSPAR Region II und III). Auch im Wattenmeer (OSPAR Region III) war Sabellaria spinulosa heimisch. An der deutschen Wattenmeerküste fanden sich Sabellaria-Riffe in trockenfallenden und sublitoralen, also ständig wasserbedeckten Gebieten. In der Regel entstehen Sabellaria-Riffe auf festen Untergründen und vermutlich auch auf durch andere Würmer verfestigten Sanden (z.B. durch den Bäumchenröhrenwurm Lanice conchilega) in Bereichen mit stärkerer Strömung. Im Wattenmeer sind dies vor allem tiefe Priele und Hauptwattströme/Seegatten.

Mitte der 1920er Jahre begann ein dramatischer Rückgang der besonders im ständig wasserbedeckten Bereich der Priele und Prielhänge ursprünglich weit verbreiteten Sabellaria-Riffe. Weitreichende Untersuchungen des Wattenmeeres, z.B. durch K. Reise (Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung), und im Jahr 2011 vom WWF durchgeführte Interviews mit einigen ehemaligen Fischern zeigten, dass es jedoch noch bis in die 1970er Jahre hinein Sandkorallen-Riffe im schleswig-holsteinischen Wattenmeer gab.

Im Lister Tief, Rummelloch und auf der Weser existierten ebenfalls bis Anfang der 1970er Jahre Sandkorallen-Riffe, die zum Teil eine Höhe von zirka 100 Zentimetern aufwiesen. Bei Sylt waren Sandkorallen-Riffe bis in die 1950er Jahre hinein sehr zahlreich vorhanden, beispielsweise vor Munkmarsch und vor dem „Ellenbogen“. Alle Sandkorallen-Riffe im trockenfallenden Watt sind wohl schon zwischen den 30er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts verschwunden, hierzu gehörten jeweils ein Riff vor Norderney, Baltrum und Tertiussand. Vorberg (1997) konnte in den 1990er Jahren nur noch drei sublitorale Riffe im Wattenmeer nachweisen (im Rütergat in Schleswig-Holstein sowie in Niedersachsen in der Jade querab Crildumer Siel sowie querab der Niedersachsenbrücke). Soweit bekannt, existieren diese heute nicht mehr.

Miesmuscheln

Wer lebt in der Lebensgemeinschaft Miesmuschelbank des Wattenmeers?

Je nach Lage der Miesmuschelbänke auf den (trockenfallenden) Wattflächen oder in den ständig wasserführenden tieferen Prielen sind zwischen rund 30 und mehr als 50 andere Arten mit der Miesmuschelbank assoziiert. Miesmuschelbänke bieten Schutz, Nahrung und Laichmöglichkeiten für eine Vielzahl von Schnecken-, Krebs- und Fischarten. Die Artenanzahl ist höher im Sublitoral, also dem ständig überfluteten Bereich. Dort kommen auch Seenelken, Geweihschwamm, Moostierchen oder der Glockenpolyp vor – Arten, die das Trockenfallen nicht oder nur sehr schlecht vertragen. Fischarten, wie der Butterfisch, oder die Wellhornschnecke laichen hier. Ähnlich den Riffen der Europäischen Auster, die das Sublitoral, also den ständig wasserbedeckten Bereich bevorzugen, bilden Miesmuschelbänke regelrechte Hot Spots der biologischen Vielfalt.

Welche Bedeutung haben Miesmuscheln für das Ökosystem Wattenmeer?

Miesmuscheln bilden artenreiche Riffe © Michael Reiter
Miesmuscheln bilden artenreiche Riffe © Michael Reiter

Miesmuscheln können einen erheblichen Teil des Planktons fressen. Sie selbst sind auch für eine Reihe von Tierarten begehrte Beute und haben eine herausragende Bedeutung im Nahrungsnetz des Wattenmeeres. Schon die Larven werden von einer Vielzahl an Fischarten verspeist, vor allem aber von Strandkrabben und ähnlichen Krebstieren. Nur wenige Larven schaffen es, sich zur Jungmuschel umzuwandeln. Doch auch als Muschel sind sie für viele Tierarten von großem Interesse, insbesondere für Seesterne. Seesterne saugen sich mit den Saugfüßchen ihrer Arme an den Schalenhälften der Miesmuschel fest. Bis zu einer Stunde kann es dauern, bis ein Seestern die Schalen geöffnet hat. Dann stülpt er seinen Magen in das Innere der Muschel und verdaut sie. Vor allem die Muscheln im Sublitoral, also dem ständig überfluteten Bereich des Wattenmeeres, sind den Seesternen ausgesetzt.

Auf den trockenfallenden Wattflächen sind es eher die Austernfischer oder auch Silbermöwen, die den Miesmuscheln zusetzen. Eine weitere Seevogelart ist auf Miesmuscheln besonders angewiesen: die Eiderente. Ein sehr großer Teil ihrer Nahrung kann aus Miesmuscheln bestehen. Eiderenten sind große, scheinbar etwas plumpe Meeresenten. Sie tauchen von der Wasseroberfläche nach unten zum Meeresgrund und können mehrere Minuten unter Wasser bleiben. Mit ihrem starken Schnabel lösen sie die Miesmuscheln ab. Sie verschlucken sie im Ganzen. Ihr kräftiger Muskelmagen zerdrückt die Muscheln, so dass der Inhalt verdaut werden kann.

So können Sie unsere Arbeit im Wattenmeer unterstützen

Deutsche Postcode Lotterie

 

Für die Unterstützung unserer Arbeit zur Unterwasserwelt des Wattenmeeres danken wir den Teilnehmenden der Deutschen Postcode Lotterie.