Doch allein, dass der Handel mit anderen Tigerteilen und -produkten (außer Tigerknochen) von Tieren aus Gefangenschaft erlaubt ist, verursacht ein Leck im globalen Tigerschutz. Zum einen, weil dadurch der Eindruck vermittelt wird, dass der Verkauf von Tigerprodukten aus Tigern in Gefangenschaft völlig legitim sei. Ein Umdenken oder gar Unrechtsbewusstsein wird nicht gefördert.
Zum anderen unterminieren diese Farmen die internationalen Tigerschutzbemühungen: illegal getötete Tiger aus freier Wildbahn können so in die Tigerfarmen geschmuggelt werden und gelangen – zumindest in China – als legales Produkt auf den Markt. Da die Tiger in den Farmen nicht registriert sind (auch das hat System) ist eine Handelskontrolle, ob ein Tiger gewildert wurde oder aus einer Nachzucht stammt so gut wie unmöglich.
Diese Befürchtung teilt auch das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES, das deshalb 2007 beschloss, die Tigerzucht für den Handel mit Tigerprodukten zu verbieten. An die betroffenen Regierungen erging in den Folgejahren eine deutliche Forderung: Ein Zeitrahmen sollte aufgestellt werden, der ganz klar festlegt, dass die für kommerzielle Zwecke genutzten Zuchtanlagen schrittweise geschlossen werden und der Handel mit allen Tigerprodukten verboten wird – unabhängig davon, woher diese kommen. Doch heute, 12 Jahre später, gibt es mehr Tiger in mehr Farmen in mehr Ländern.
Ende 2018 schockte China obendrein die Welt, als der Staatsrat in Peking eine Reform verabschiedete, mit dem erklärten Ziel, die Nutzung von Tigerknochen und Nashornhorn durch Krankenhäuser sowie den Handel mit antiken Tiger- und Nashornerzeugnissen für den privaten Gebrauch zu erleichtern und damit das bestehende Handelsverbot deutlich zu lockern. Der WWF hatte die Entscheidung als schweren Rückschlag für den Artenschutz kritisiert. Aufgrund des massiven Aufschreis durch globale Medien, Regierungsvertreter unterschiedlicher Länder und Umweltorganisationen legte China nur zwei Wochen später die Lockerung wieder auf Eis. Auf Eis heißt aber nicht vom Tisch.