Tiger und Menschen sind nicht unbedingt die besten Freunde. In den Regionen, wo sie sich noch begegnen können, kommt es immer wieder zu Konflikten. Amur-Tiger sind nicht scharf darauf, Menschen zu begegnen und gehen diesen aus dem Weg, wo immer sie können. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in der Amur-Region in Russland wird daher niemals einen Tiger zu Gesicht bekommen.
Leider gibt es die seltenen Fälle von sogenannten „auffälligen" Tigern. Das sind Tiger, die sich in der Nähe von Ortschaften herumtreiben, um dort Haus- und Nutztiere zu reißen. Und es gibt die noch selteneren Fälle von Tigern, die einen Menschen angreifen. Das passiert etwa einmal im Jahr und leider manchmal mit tödlichem Ausgang für den Menschen. Solche Fälle erzeugen große Unruhe in der Bevölkerung. „Auffällige" Tiger, die ihr Verhalten nicht ändern, können zum Abschuss freigegeben werden. Im Falle des Angriffs auf Menschen ist die behördliche Anordnung dafür verpflichtend.
Schlecht sind diese Nachrichten für den Tiger generell, denn noch ist das Verhältnis zwischen der Bevölkerung im Fernen Osten Russlands zu „ihren Tigern“ von Respekt und sogar Stolz geprägt. Aber diese Meinung könnte auch umschlagen und in eine allgemeine Ablehnung münden.
Hungrige Raubkatzen
Seit 2013 unterstützt der WWF daher zwei Anti-Konflikt-Teams in den Provinzen Primorje und Chabarowsk. Ein drittes Team wird seit 2020 für die Provinz Evreyskaja aufgebaut. Ihr Einsatz ist gefragt, denn jedes Jahr gibt es allein im südlichen Fernen Osten etwa 60 Konflikte mit Amur-Tigern und Amur-Leoparden. Sie treten gehäuft im Winter auf, wenn abgemagerte Tiger die Nähe zu Siedlungen suchen, um dort nach Nahrung Ausschau zu halten. Solche Tiger haben oftmals schlecht verheilte Verletzungen von Wildereifallen oder-kugeln und können daher nicht ausreichend natürliche Beute machen. Auch verwaiste Jungtiger, die ihre Mutter verloren haben und die noch keine Jagderfahrung besitzen, zeigen solches Verhalten.
Die Anti-Konflikt-Einheiten sind hochmobil. Sie bestehen aus drei speziell ausgebildeten staatlichen Rangern und einem Tierarzt. Ziel ist zunächst den Tiger zu „vergrämen“, das heißt mit Lärm und Leuchtfackeln zu vertreiben. Gelingt die Vergrämung nicht, müssen „auffällige" Tiger eingefangen werden. Dafür ist es notwendig, die Tiger mit einem Betäubungsgewehr lahmzulegen.
Anti-Konflikt-Teams zum Schutz von Menschen und Tigern
Die Anti-Konflikt-Teams sorgen auch für die unmittelbare medizinische Behandlung und bringen die Tiere anschließend in eine von zwei Auffangstationen im Fernen Osten. Das langfristige Ziel ist die Wiederauswilderung der Tiger abseits menschlicher Siedlungen. Dazu werden sie in den Stationen, die ein eingezäuntes Freigelände haben, beobachtet, um Rückschlüsse auf ihr Verhalten zu gewinnen. Wichtig ist, dass die Tiger so wenig Sicht- und Geruchskontakt wie möglich zu Menschen haben. Deshalb sind die Gehege der Stationen mit Netzen blickdicht verhängt.
Für Tiger, die sich nicht selbst ernähren können, etwa weil ihre Reißzähne abgebrochen sind, sowie für „Mehrfachtäter“ bleibt nur ein Leben im Zoo.
Wachsende Tigerpopulation
Aus Sicht des Artenschutzes ist jeder tote Tiger einer zu viel, denn die Tigerpopulation im russischen Fernen Osten ist mit knapp 600 Individuen sehr klein und bleibt fragil.
Eine große Hilfe bei diesen Rettungsaktionen ist ein spezieller Krankenwagen, der seit Beginn dieses Jahres im Einsatz ist. Das Gefährt wurde vom WWF finanziert und dem Auswilderungszentrum Alekseevka übergeben. Ein Erfolg der Wiederauswilderung ist auch die Unterstützung einer kleinen aber beständigen Gruppe von Tigern im nördlichsten Teil des Verbreitungsgebietes in der Provinz Evreyskaya. Die dort ausgewilderten Zöglinge haben sich gut integriert und inzwischen ist die Gruppe auf 20 Individuen angewachsen. Vor zehn Jahren gab es dort keine Tiger. Die Schutzmaßnahmen wirken.
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