Ein ausgewachsener Tiger streicht am helllichten Tag durch die Vororte Wladiwostoks. Sofort klingelt bei Pavel Fomenko vom WWF Russland das Telefon. Die Situation ist nicht nur für die Menschen gefährlich, sondern auch für den Tiger.

Normalerweise leben Amur-Tiger fernab der Zivilisation. Sind sie aber geschwächt – z.B. weil sie krank sind oder von Wilderern verletzt wurden – treibt der Hunger sie auch in die Nähe von Siedlungen, wo sie leichter Beute machen können. „Wir müssen verhindern, dass der Mensch überreagiert und den Tiger erschießt.“ Pavel Fomenko hat ein Team aus Experten ins Leben gerufen – das Anti-Konflikt-Team. „Wir sind zur Stelle, wenn es darauf ankommt“, sagt er. Denn in der Region Amur-Heilong im Grenzgebiet zwischen Russland und China gibt es immer wieder Zusammenstöße von Tigern und Menschen.

Spurensuche mit Drohnen

Fluss Bikin © Hartmut Jungius / WWF
Fluss Bikin © Hartmut Jungius / WWF

Die Suche nach dem Tiger in Wladiwostok gestaltet sich schwierig. Es liegt kein Schnee, das Tier hinterlässt keine Spuren. Mit moderner Technik wie Drohnen, Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras versucht das Anti-Konflikt-Team in solchen Fällen, die Tiere aufzuspüren. Dank der Drohne finden die Experten Vladik – wie sie den Tiger später nennen -, können ihn einfangen und bringen ihn in die 70 Kilometer entfernte Auffangstation Alekseevka. Einen ganzen Winter muss Vladik dort bleiben, beobachtet von Tierärzten und Pflegern, um aufgepäppelt und schließlich im abgelegenen Bikin-Nationalpark wieder ausgewildert zu werden.

Einfangen oder vertreiben? Rettung statt Abschuss!

Ein Anti-Konflikt-Team besteht aus drei staatlich ausgebildeten Rangern und einem Tierarzt. Im Fernen Osten Russlands gibt es zwei dieser Teams, jedes Jahr kommen sie bei 15 bis 20 Fällen zum Einsatz. Macht der Tiger einen gesunden Eindruck, versucht das Team ihn zurück in sicheres Gebiet zu treiben. Ist ein Tier aber krank oder widersetzt sich der Vertreibung, muss es eingefangen werden. Die Experten bringen es mit einem eigens dafür vorgesehenen Tigerkrankenwagen in eine von zwei Auffangstationen, wie es bei Vladik geschehen ist.

Einsatz für den Tiger

„Ich habe mein Leben lang mit Tigern gearbeitet. Trotz ihrer Kraft und Größe habe ich diese wunderbaren Tiere als sehr verletzlich erlebt, deshalb widme ich mich ihrem Überleben.“ Pavel Fomenko will unbedingt ein weiteres Anti-Konflikt-Team in der Region aufbauen. Vor rund 80 Jahren gab es gerade noch 30 Amur-Tiger in freier Wildbahn. Dass heute wieder 540 Tiger im russischen Teil der Amur-Region leben, ist dem unermüdlichen Einsatz von Menschen wie Pavel zu verdanken.

Freilebende Tiger statt Potenzmittel

Weltweit kämpfen Ranger, Tierärzte, Biologen und andere Experten für den Erhalt der majestätischen Art. Sie retten die Tiger nicht nur im Konfliktfall vor dem Abschuss, sondern beschützen sie unter Einsatz ihres Lebens vor Wilderern. Leider sind Tigerknochen, Krallen und andere Körperteile noch immer als Mittel gegen Potenzschwäche und andere Gebrechen heiß begehrt. Dieser medizinische Aberglaube bedroht nicht nur die Tiger in der Amur-Region. Die Ranger-Teams versorgen verletzte und kranke Tiere und leisten wichtige Aufklärungsarbeit, um den Tiger als wunderbaren und wichtigen Teil der Natur im Bewusstsein der Menschen zu verankern.

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