Beginn und Dauer der Geschlechtsreife unterscheiden sich beim Wisent zwischen beiden Geschlechtern. Die Bullen werden zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr geschlechtsreif. Die Kühe erreichen die Geschlechtsreife zwar mit dem dritten Jahr, gebären ihr erstes Kalb aber erst wenn sie zwischen vier und sechs Jahre alt sind. Während die Bullen ihre Paarungsfähigkeit mit Erreichen des zwölften Lebensjahres verlieren, können sich die Kühe bis zu ihrem Lebensende fortpflanzen. Einem Weibchen im Białowieża-Urwald gelang es ihr letztes Jungtier im Alter von 23 Jahren zu gebären und erfolgreich aufzuziehen. Durchschnittlich gebären Wisentkühe im Laufe ihres Lebens neun Kälber, jedoch ist diese Zahl stark von der Qualität des verfügbaren Nahrungsangebot abhängig und kann sich daher zwischen verschiedenen Populationen unterscheiden.
Ab Ende Juli stoßen die alten Bullen periodisch zu den verschiedenen Herden, um die Paarungsbereitschaft der Weibchen zu überprüfen. Während der Paarungszeit, die auch Brunftzeit genannt wird, kann sich das Streifgebiet der Bullen deutlich erhöhen. Auf der Suche nach paarungswilligen Kühen legen sie weite Strecken zwischen verschiedenen Herden zurück. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Bullen während dieser Zeit bis zu acht Herden besuchen und mit diesen jeweils zwei bis sechs Tage verbringen. Jungen Bullen gelingt es zumeist nicht sich im frühen Alter fortzupflanzen, da die älteren Bullen die paarungsbereiten Kühe verteidigen. Jedoch sind Fälle bekannt bei denen junge, geschlechtsreife Bullen zwischen vier und fünf Jahren bereits vor Beginn der eigentlichen Paarungszeit zu den Gruppen der Kühe stießen, um sich in Abwesenheit der älteren Bullen zu paaren. Wisente haben ein polygynes Paarungssystem, was bedeutet, dass sich ein Männchen mit einer Vielzahl von Weibchen verpaart. Um sich den alleinigen Zugang zu den Herden zu sichern, vertreiben die dominanten Bullen ihre männlichen Artgenossen. Dabei legen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Imponierverhalten an den Tag. So scharren sie den Boden mit ihren Hufen auf oder urinieren und wälzen sich anschließend darin. Teilweise können sie ganze Büsche oder junge Bäume brechen oder entwurzeln. Dieses Verhalten reicht meist, um Kontrahenten zu vertreiben. Nur selten kommt es zu direkten Kämpfen zwischen Bullen, bei denen sie mit ihren Köpfen und Hörnern aufeinanderstoßen. Hat ein Bulle eine geschlechtsreife Kuh ausgemacht, folgt er ihr für mehrere Tage, um den Augenblick des Östrus (Brunst) nicht zu verpassen. Dabei testet er mit Hilfe des sogenannten Flehmens immer wieder ihre Paarungsbereitschaft. Hierfür hebt er den Kopf in den Nacken und zieht die Oberlippe nach oben, was es ihm erlaubt, Sexualhormone im Urin der Kuh wahrzunehmen. Die eigentliche Paarung dauert dann nur einen kurzen Augenblick.
Die Tragzeit beträgt durchschnittlich 264 Tage. Die Kälber werden zwischen Mai und Juni des folgenden Jahres geboren. Eine Kuh bringt normalerweise nur ein Kalb zur Welt, wobei es bei Wisenten in Gefangenschaft selten auch Fälle von Zwillingen gibt. Kurz vor der Geburt trennt sich die Kuh vom Rest der Herde und stößt erst wieder einige Tage danach zusammen mit dem Kalb dazu. Wisente sind Nestflüchter, das Kalb kommt mit geöffneten Augen zur Welt und schon nach 20 bis 45 Minuten kann es stehen. Ein Wisentkalb wiegt bei der Geburt durchschnittlich zwischen 15 und 35 Kilogramm. Die ersten drei Monate wird es von der Mutter gesäugt, bevor es beginnt, auch pflanzliche Nahrung zu sich zu nehmen. Insgesamt bleibt es für die Dauer von einem Jahr bei seiner Mutter. Während die jungen Söhne die Herden im Alter von drei bis vier Jahren verlassen, bleiben die Töchter häufig in derselben Herde.